Der Meteorit explodierte in 30 bis 50 Kilometern Höhe über der Erde. Zahlreiche Verletzte. Mehr als 3000 Häuser sind beschädigt.

Moskau. In einem kaum glaublichen Zufall haben am Freitag gleich zwei Himmelskörper auf der Erde Aufsehen erregt und Geschichte geschrieben. In Russland stürzte ein Meteorit in der abgelegenen Region Tscheljabinsk ab und verletzte etwa 1200 Menschen, einige schwer. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit wurde ein so folgenschwerer Einschlag eines Meteoriten dokumentiert. Nur Stunden später raste ein Asteroid in der Rekordnähe von nur 27 800 Kilometern an der Erde vorbei – viele Satelliten fliegen höher.

Bei dem spektakulären Absturz am russischen Uralgebirge waren unter den rund 1200 Verletzten mehr als 200 Kinder. Die meisten Menschen wurden durch Glasscherben geschnitten. Die Explosion des tonnenschweren Himmelskörpers verursachte eine Druckwelle, die in der etwa 1500 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Region Tscheljabinsk erhebliche Verwüstungen anrichtete. Mehr als 40 Menschen mussten im Krankenhaus behandelt werden.

Der Meteorit war etliche Tonnen schwer. Er raste mit extrem hoher Geschwindigkeit Richtung Erde. Nach Eintritt in die Atmosphäre dürfte das kosmische Geschoss mit einer gewaltigen Druckwelle explodiert sein. Atomanlagen in der Gegend seien aber nicht betroffen, hieß es.

Der Meteorit hatte aber nichts mit „2012 DA14“ zu tun. Der Asteroid kam der Erde zwar so nahe wie noch nie ein vorhergesagter Himmelskörper zuvor. Experten beruhigten jedoch: „Kein Grund zur Sorge“, sagte Nasa-Experte Dante Lauretta, der Asteroid bleibe in sicherer Entfernung. Und trotzdem waren die 27 800 Kilometer Abstand am erdnächsten Punkt fast so etwas wie ein kosmischer Streifschuss. Die geostationären Satelliten, die zum Beispiel Telefongespräche oder Fernsehen übertragen, sind deutlich weiter weg. Der Mond ist sogar rund 15 Mal so weit entfernt wie „2012 DA14“ es am Freitagabend war.

Zudem war der Asteroid 28 600 Kilometer in der Stunde schnell - fast fünfmal so schnell wie eine Panzergranate. Hätte dieses kosmische Wuchtgeschoss von nach Nasa-Angaben 45 Metern Breite und

130 000 Tonnen Gewicht tatsächlich die Erde getroffen, wären die Folgen verheerend gewesen. „Würde dieses Objekt beispielsweise aus Eisen bestehen und mit unserem Planeten zusammenstoßen, könnte es einen Krater verursachen, der mit dem 1,5 Kilometer großen Meteor Crater bei Flagstaff, Arizona, zu vergleichen wäre“, sagte der Esa-Verantwortliche für erdnahe Objekte, Detlef Koschny.

Der Meteorit in Russland, der aber nichts mit dem etwa dreimal so breiten Asteroiden zu tun hatte, sorgte für Angst und Schrecken. „Das war ein großer Feuerball, der dann runterfiel. Das Ganze dauerte ein paar Sekunden“, sagte ein Bewohner der Region der Agentur Itar-Tass. Augenzeugen berichteten von Lichtblitzen, Explosionen und Rauchwolken am Himmel. Viele dachten, ein Flugzeug sei explodiert. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von Menschen, die panikartig ihre Häuser verließen und aus Schnittwunden bluteten.

An der möglichen Absturzstelle am Ufer des Tschebarkul-Sees rund 80 Kilometer westlich von Tscheljabinsk entdeckten die Behörden einen etwa sechs Meter breiten Krater. Soldaten hätten den Bereich an dem zugefrorenen Gewässer abgesperrt, sagte Oberst Jaroslaw Roschtschupkin vom Zentralen Wehrbezirk. Es sei keine erhöhte Strahlung gemessen worden. Einsatzkräfte berichteten von zahlreichen etwa einen Zentimeter großen Splittern in der Nähe des Kraters.

„Die meisten Splitter sind verdampft, einige schafften es aber bis zur Erdoberfläche“, erklärte Valeri Schuwalow von der russischen Wissenschaftsakademie. Er vermutet, dass es sich um einen Nickel-Eisen-Meteoriten handelt. Nur ein solcher Körper sei fest genug, um die unteren Schichten der Atmosphäre zu erreichen. Der Astronom Sergej Smirnow meinte, dass der Meteorit vor dem teilweisen Verglühen mehrere Tonnen schwer gewesen sei. Splitter könnten demnach jeweils bis zu einem Kilogramm wiegen.

„Bei Temperaturen von minus 18 Grad in Tscheljabinsk ist jetzt am wichtigsten, dass die zertrümmerten Fensterscheiben ersetzt werden“, sagte Verwaltungschef Michail Jurewitsch. Nach Behördenangaben waren sieben Flugzeuge und 20 000 Angehörige des Zivilschutzes in der Region im Einsatz.

Dass der Meteorit am selben Tag einschlug, an dem ein Asteroid der Erde so nahe kommen sollte, wie kein anderer zuvor, ist Zufall. „Die beiden Objekte haben definitiv nichts miteinander zu tun, weil sie aus ganz unterschiedlichen Ecken des Sonnensystems kommen“, sagte Nasa-Experte Dante Lauretta. Er sprach von einer großen Chance für die Wissenschaft. „So nah ist noch nie ein Himmelskörper an der Erde vorbeigeflogen, seit die Wissenschaft zurückdenken kann. Natürlich sind heute alle Augen auf den Asteroiden gerichtet – inklusive unserer Radarteleskope.“

„Was für ein aufregender Tag“, sagte Laurettas Kollege Paul Chodas. „Das ist heute wie auf der Schießbahn mit gleich zwei Himmelskörpern.“