Anwohner schlugen Löcher in die Wände, trotzdem starben mindestens 232 Menschen beim Diskothekenbrand in Brasilien. 30-tägige Staatstrauer.

Porto Alegre. Gegen 2.30 Uhr beginnt der Horror in der Diskothek Kiss in Brasilien. Es tobt ein Inferno. In Panik rennen die Menschen blindlings zu den Ausgängen. Doch einige Türen sind verschlossen, und 232 schaffen es nicht mehr ins Freie. Die meisten ersticken an hochgiftigen Dämpfen.

Brasilien ist geschockt von der Tragödie in Santa Maria, einem Studentenort im Süden des Landes. Angesichts der Toten und Verletzten bricht die Staatspräsidentin eine Auslandsreise ab. Die Fernsehsender des Landes berichten ununterbrochen und zeigen Bilder, wie Anwohner und Feuerwehr mit Vorschlaghämmern große Löcher in die Hauswände der Diskothek schlagen, um zu den Opfern vorzudringen.

Der Brand entzündete sich während einer pyrotechnischen Showeinlage, die Teil des Auftritts einer Band war. Funken setzen das akustische Dämmmaterial aus Isolierschaumstoff an der Decke in Brand. Flammen schlagen hoch, es entsteht starker Rauch und die Tragödie nimmt ihren Lauf. "Es war ein Chaos, alle rannten zum Ausgang", berichtet eine geschockte junge Frau einige Stunden nach der Brandkatastrophe. Unklar ist bislang, ob der Nachtclub über einen ausreichenden Brandschutz und Notausgänge verfügte. "Ich weiß nicht, welchen Ausgang wir benutzten. Es ging alles so schnell", sagte die Frau. Hunderte werden bei der Katastrophe verletzt.

Nach ersten Erkenntnissen der Feuerwehr war die Haupteingangstür des Clubs in der Rua Andradas 1925 zum Zeitpunkt der Katastrophe abgeriegelt. Das dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass so viele Menschen ums Leben kamen. Die Polizei bestätigte zunächst 245 Todesopfer, dann wurde die Zahl nach einer Überprüfung auf 232 reduziert. "Die meisten Menschen erstickten. Der (brennende) Schaumstoff produzierte einen hochtoxischen Qualm. Sie gerieten in Panik, stolperten, fielen und traten auf die am Boden liegen Personen", sagte Guido de Melo, einer der Einsatzleiter der Feuerwehr.

Präsidentin Dilma Rousseff brach nach der tragischen Nachricht ihre Teilnahme an einem internationalen Gipfel in Chile vorzeitig ab. "Ich möchte den Brasilianern und der Bevölkerung von Santa Maria sagen, dass wir in diesem traurigen Moment zusammenstehen", sagte sie den Tränen nahe, bevor sie den Gipfel der EU und der Staaten Lateinamerikas und der Karibik in Santiago de Chile verließ. Der Gouverneur des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Tarso Genro, sprach von einem "traurigen Sonntag".

Stadt bekannt für quirliges Nachtleben

Die Stadt Santa Maria ordnete noch am Sonntagvormittag eine 30-tägige offizielle Trauer an. Die Stadt mit rund 270.000 Einwohnern ist bekannt für ihr quirliges Nachtleben, denn sie beherbergt eine der größten öffentlichen Universitäten des Landes mit vielen Studenten. Die Diskothek Kiss hatte für die Nacht zum Sonntag mehrere DJs und Bands auf dem Programm. Die Veranstaltung begann um 23 Uhr. Der Eintritt kostete 15 Reais (5,50 Euro).

Vor dem Nachtclub warteten am Sonntag Hunderte Angehörige und Freunde auf Nachrichten von Verwandten und Bekannten. Die mehr als 100 Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht. Wie viele Menschen tatsächlich in der Nacht in der Diskothek feierten, war zunächst noch unklar. Allerdings bietet das Kiss Platz für bis zu 2000 Menschen.

"Mein Glück war, dass ich nah an einem Ausgang stand. Es war der einzige, den ich sah. Alle drängten dort hinaus", sagte die 34-jährige Michele Pereira. Über die Identität der Opfer wurde zunächst nichts bekannt, aber die Toten sind zumeist junge Menschen. Die Katastrophe schockte auch die Einsatzkräfte. "Ich bin 40 Jahre bei der Feuerwehr, aber eine Tragödie solchen Ausmaßes habe ich noch nicht gesehen", sagte Feuerwehrmann Moisés da Silva Fuchs.

Die Krankenhäuser in dem südbrasilianischen Bundesstaat waren in höchster Alarmbereitschaft. "Wir haben den ganzen Bundesstaat mobilisiert, die Hospitäler verschiedener Regionen sind bereit zu helfen", sagte der Gesundheitsminister des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Ciro Simoni.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ebenfalls an dem Gipfel in Chile teilnahm, sprach Rousseff ihr Beileid aus. Auch Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich betroffen. "Ich bin zutiefst bestürzt über dieses furchtbare Unglück und möchte den Brasilianern mein tief empfundenes Mitgefühl aussprechen", erklärte er nach Angaben des Auswärtigen Amtes.