Die Schulen im US-Staat Connecticut sind seit dem Amoklauf in erhöhter Alarmbereitschaft. Nun gibt es offenbar einen neuen Verdächtigen.

Ridgefield/USA. Am ersten Schultag nach dem Blutbad an einer US-Grundschule mit 20 getöteten Kindern hat die Polizei in einem Nachbarort wegen eines Verdächtigen alle Schulen geschlossen. Das teilte die örtliche Polizei im rund 32 Kilometer von Newtown entfernten Ridgefield laut einem Bericht der Zeitung „The Hartford Courant“ am Montag mit. Nähere Informationen lagen zunächst nicht vor.

Die Schulen im US-Staat Connecticut sind seit dem Amoklauf am Freitag in erhöhter Alarmbereitschaft. Ein 20-jähriger Attentäter hatte in Newtown zuerst seine eigene Mutter erschossen und dann mit den Waffen der Familie in der Sandy-Hook-Grundschule der Kleinstadt nördlich von New York 20 Kinder und sechs Schulmitarbeiter getötet. Anschließend erschoss er sich selbst.

Mutter des Todesschützen behielt ihre Probleme für sich

Unterdessen suchen die Ermittler nach dem Motiv des Attentats. Im Blickpunkt steht dabei das familiäre Umfeld des Amokläufers, insbesondere die Mutter, die ebenfalls getötet wurde. Was für ein Leben führte sie? In der Pizzeria „My Place“ war sie Stammgast. Alle am Tresen kannten Nancy Lanza. Immer wenn sie hörte, dass jemand knapp bei Kasse war, bot sie an, die Rechnung zu übernehmen. Über ihre eigenen familiären Probleme sprach sie nicht. Das, was sie für sich behielt, treibt jetzt die ganze Stadt um. Newtown trauert, seit Lanzas Sohn Adam vorigen Freitag mit ihren eigenen Waffen erst sie, dann 26 Kinder und Lehrerinnen seiner alten Grundschule und dann sich selbst erschoss.

Zwei, drei Mal die Woche kam die 52-jährige gut situierte Blondine abends ins „My Place“, um Salat zum Mitnehmen zu holen, und blieb dann auf einen Wein und ein Schwätzchen. Die geschiedene Mutter zweier Söhne unterhielt sich gern über Baseball und ihre Lieblingsmannschaft Red Sox, über das Gärtnern und das Sportschießen, das sie mit wachsender Leidenschaft betrieb. Von ihren Söhnen, mit denen sie früher oft zum Frühstücken kam, sprach sie mit Stolz. Doch ihr Privatleben, vor allem seine Probleme und Rückschläge, war für den Bekanntenkreis tabu.

Familienleben war Privatsache

„Ihr Familienleben war ihr Familienleben, wenn wir zusammen waren. Sie behielt es für sich. Das war ihre Privatsache“, erzählte Louise Tambascio, die gemeinsam mit ihren Söhnen das Lokal führt und sich mit Nancy Lanza häufig zum Einkaufen und zum Essen traf. Auch Lanzas jüngsten Sohn Adam lernten die Freunde kennen; als sie ihn mitbrachte, schwieg er und starrte zu Boden. Sie wussten, dass er mehrmals die Schule gewechselt und dass sie versucht hatte, ihn zu Hause zu unterrichten. Zwar äußerte sie abends am Tresen manchmal Sorgen über seine Zukunft, aber sie beklagte sich nie.

„Ich hörte sie als Elternteil reden. Ich habe immer gesagt, in ihrer Haut möchte ich nicht stecken. Aber ich dachte, Mann, sie hält sich gut“, erzählte Tambascios Sohn John. Lanza lebte in gehobenen Verhältnissen. Als sie mit ihrem damaligen Mann Peter Lanza 1988 aus New Hampshire in den Ort in Connecticut zogen, kauften sie ein nagelneues Anwesen im Kolonialstil mit 290 Quadratmeter Fläche auf einen 8.000 Quadratmeter großen Grundstück. Sie hatte früher in Boston als Börsenmaklerin gearbeitet, er war ein erfolgreicher Manager. Bei der Scheidung 2009 überließ er ihr das Haus und versprach, sie werde nie mehr arbeiten gehen müssen, wie ihre Schwägerin Marsha Lanza berichtete. Bei der Trennung habe es kein böses Blut gegeben, und Adam habe Zeit sowohl mit der Mutter als auch mit dem Vater verbracht, sagte seine Tante.

„Waffen waren ihr Hobby“

Bekannte beschreiben Nancy Lanza als großzügig, erinnern sich an Einladungen zum Baseball und finanzielle Unterstützung. Manchmal schien sie völlig sorglos, traf sich mit Nachbarinnen zum Würfelspiel und begeisterte sich für Gartenarbeit. Sie erzählte Bekannten auch, dass sie sich Waffen gekauft und mit dem Schießen begonnen habe, wie John Tambascio berichtete. Die Waffen habe sie sich zum Schutz zugelegt, sagte Marsha Lanza der „Chicago Sun-Times“: „Sie bereitete sich auf das Schlimmste vor.“ Nancy habe einen Zusammenbruch der Wirtschaft befürchtet, und sie habe allein gelebt, erklärte die Schwägerin. „Waffen waren ihr Hobby“, sagte ein Bekannter, Dan Holmes, der „Washington Post“: „Sie erzählte mir, dass ihr die völlige Konzentration beim Schießen gefällt.“

Bei der Rückkehr vom Schießstand fand sie immer wieder die scheinbar unlösbaren Probleme ihres Sohnes vor. An der High School erlebte er öfter Krisen, die nur seine Mutter entschärfen konnte. „Er hatte einen Schub, und sie musste kommen und sich kümmern“, berichtete Richard Novia, der die Lanza-Jungen aus der Technik-AG der Schule kannte. Adam habe sich manchmal allem entzogen, was er habe tun sollen. „Er flüchtete. Das war, glaube ich, das große Problem. Und das war nichts Rebellisches und nichts Trotziges. Das war ein Zurückziehen.“

Marsha beschrieb Nancy Lanza als gute Mutter. „Wenn er eine Therapie gebraucht hätte, hätte sie dafür gesorgt“, meinte sie. „Nancy war niemand, der vor der Wirklichkeit die Augen verschließt.“