Der Vater der brasilianischen Architektur-Moderne starb im Alter von 104 Jahren. Im Bundesstaat Rio de Janeiro gilt drei Tage Staatstrauer.

Rio de Janeiro. Der brasilianische Stararchitekt Oscar Niemeyer ist tot. Er starb zehn Tage vor seinem 105. Geburtstag in seiner Heimatstadt Rio de Janeiro. Der Tod sei am Mittwoch um 21.55 Uhr (Ortszeit) eingetreten, wie das Samaritano-Hospital in Rios Stadtteil Botafogo auf Anfrage bestätigte. Niemeyer lag zuletzt im künstlichen Koma und wurden nur noch mit Hilfe von Geräten am Leben gehalten. Staatspräsidentin Dilma Rousseff schrieb in einem Beileidsbrief: „Brasilien hat heute ein Genie verloren. Niemeyer war ein Revolutionär, der Mentor einer neuen Architektur, schön, logisch und wie er selbst sagte, erfinderisch.“

Der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Sérgio Cabral, ordnete noch in der Nacht eine dreitägige Staatstrauer an. Nach brasilianischer Rechtsordnung muss die Beisetzung binnen 24 Stunden stattfinden. Vermutlich wird die Trauerfeier am Donnerstag im Präsidentenpalast, dem Palácio do Planalto, in der Hauptstadt Brasília stattfinden, die für Niemeyers futuristische Bauten weltbekannt ist.

Cabral bezeichnete den Architekten, der seit dem 2. November unter anderem wegen Nierenproblemen in der Klinik lag, als „Genie der Weltarchitektur“. „Liebevoll im Umgang, fest in seinen Überzeugungen und vom brasilianischen Volk geliebt“, so beschrieb Cabral den am 15. Dezember 1907 als Sohn eines deutschstämmigen Kaufmanns in Rio geborenen Niemeyer, der bis zum Schluss bekennender Kommunist war. Präsidentin Rousseff betonte: „Heute ist ein Tag, seinen (Niemeyers) Tod zu beweinen.“

Der Star-Architekt musste in den vergangenen Jahren immer wieder im Krankenhaus behandelt werden. Zugesetzt hatte ihm auch der Tod seiner einzigen Tochter, Anna Maria Niemeyer, die im Juni 2012 im Alter von 82 Jahren verstarb. Bis ins hohe Alter arbeitete der Architekt in seinem Büro an der Copacabana in Rio. Er war prägend mitbeteiligt am Entwurf des UN-Gebäudes in New York und schuf auch die Zentrale der Kommunistischen Partei Frankreichs in Paris.

Als einen herben Rückschlag empfand Niemeyer 2011 die Nachricht über die Schließung des von ihm errichteten Kulturzentrums in der nordspanischen Stadt Avilés, das er einmal als sein „liebstes Projekt“ beschrieb. Niemeyers Bauten sind vor allem für ihre geschwungenen Kurven und großzügige Raumgestaltung bekannt. In Rio de Janeiro entwarf er auch das weltbekannte Sambódromo, durch das jährlich die Samba-Schulen defilieren und das auch zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio genutzt werden soll.

Kurz vor seinem 104. Geburtstag im Dezember 2011 hatte er in einem Interview erklärt: „Ich habe noch eine gute Gesundheit und einen fast jugendlichen Enthusiasmus für das architektonische Schaffen. Das belebt mich sehr.“ Doch schon 2011 und auch 2012 musste er mehrmals im Krankenhaus behandelt werden, unter anderem wegen Lungenentzündung und Dehydrierung. Die letzten Jahre wurde Niemeyer stets von seiner zweiten Ehefrau Vera Lucia begleitet. Er hatte sie 2006 geheiratet, zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau Anita Baldi, mit der er 76 Jahre lang verheiratet war.