Nur langsam entsteht ein Bild, was sich bei dem Feuerdrama in der Behindertenwerkstatt abgespielt hat. Angehörige der Opfer suchen Trost.

Titisee-Neustadt. Nebel und Regen tauchen die Behindertenwerkstatt in der Schwarzwald-Gemeinde Titisee-Neustadt in tristes Einheitsgrau. Nur einige Kerzen flackern vor dem Gebäude, das am Montag für 14 Menschen zur Todesfalle wurde. Brandspuren und zerstörte Fensterscheiben erinnern am Tag danach an das Feuerdrama. Die Opfer sind mittlerweile identifiziert. Nur langsam entsteht ein Bild von den schrecklichen Ereignissen, die sich hinter den Türen der Caritas-Werkstatt abspielten. „Die ganze Dimension wird uns erst am Tag danach bewusst“, sagt der örtliche Feuerwehrkommandant Gotthard Benitz.

Ermittler und Brandsachverständige suchen die ganze Nacht akribisch nach Spuren. Sie wollen wissen, wieso sich das Feuer rasant ausbreitete und warum es zu einer Explosion kam. Eines ist klar: Der starke Rauch und Verbrennungen wurden den Opfern zum tödlichen Verhängnis. „Es waren nur wenige Minuten, die das Schicksal der 14 Menschen, die hier gestorben sind, besiegelt haben“, sagt Benitz. „Es hat sich hier Schreckliches abgespielt.“

Es ist eine Chronik des Grauens: Innerhalb kürzester Zeit füllt sich am frühen Montagnachmittag das dreistöckige Gebäude mit dichtem und lebensgefährlichem Rauch. Er nimmt den 120 Menschen, die dort arbeiten, die Luft zum Atmen und die Sicht. Der Weg ins Freie, etwa durchs Treppenhaus, ist abgeschnitten. Es bricht Panik aus. Viele Behinderte können nur eingeschränkt laufen, sind orientierungslos, brauchen Hilfe. Andere sitzen im Rollstuhl. Als die Feuerwehr kommt, stehen viele an den Fenstern und schreien um Hilfe.

„Eine Behinderteneinrichtung ist kein gewöhnliches Objekt“, sagt Kreisbrandmeister Alexander Widmaier. „Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die nicht immer rational reagieren.“ Auf einen Betreuer kommen im Schnitt zwölf Behinderte, sagt die Caritas. Die Betreuer und Helfer haben Leben gerettet. Mängel an der Einrichtung oder verschlossene Türen hat es laut der Feuerwehr nicht gegeben.

„Die Werkstatt war der Lebensmittelpunkt der hier betreuten Menschen“, sagt der Freiburger Caritas-Chef Egon Engler. „Er ist nahezu komplett zerstört.“ Die Behinderten werden weiter betreut und kommen zunächst in andere Einrichtungen. Die Werkstatt soll wieder aufgebaut werden. Doch noch hat niemand Zugang zu dem Brandort.

„Die Menschen sind traumatisiert von dem, was geschehen ist“, sagt der Leiterin des Notfallnachsorge des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Sandra Bergmann. Psychologen und Seelsorger stehen für Gespräche bereit. Im angrenzenden Gemeindehaus der evangelischen Kirche haben sie einen Stützpunkt eingerichtet.

„Es ist wichtig, dass jemand da ist und zuhört und die Menschen einfach mal in den Arm nimmt“, sagt Bergmann, die wie alle hier ehrenamtlich arbeitet. Das Angebot werde angenommen. Es soll auch für die kommenden Tage bestehenbleiben. Die Hinterbliebenen sollen zudem die Möglichkeit erhalten, an den Unglücksort zu kommen und dort Abschied zu nehmen. Für Samstag plant Titisee-Neustadt dann eine öffentliche Trauerfeier.

„Unsere Stadt ist im Ausnahmezustand. Wir spüren Trauer und Schmerz. Die ganze Stadt steht unter Schock“, sagt der Bürgermeister von Titisee-Neustadt, Armin Hinterseh. Am Tag nach dem Feuer macht er sich am Brandort erneut vor Ort ein Bild. „Wir sind eine Kleinstadt mit 12 000 Einwohnern. Da kennt jeder jeden“, sagt Hinterseh. Kaum ein Bürger, der nicht persönlich betroffen wäre von dem Unglück, zumindest eines der Opfer kannte. „Die Menschen, die hier umgekommen sind, gehörten zum Bild der Stadt.“