Der globale Pop-Zirkus hat in Frankfurt Station gemacht. Heidi Klum dressiert die Stars in der Manege. Eine blasse 22-Jährige und ein abwesender 18-Jähriger kriegen die meisten Preise.

Frankfurt/Main. Was für ein Zirkus: Die MTV Europe Music Awards verwandelten die Frankfurter Festhalle am Sonntagabend in eine riesige Manege. Mit viel Pyrotechnik und einer durchgestylten bunten Show versuchte MTV bei der Gala wohl darüber hinwegzutäuschen, dass sich viele Stars gar nicht erst die Mühe gemacht hatten, nach Deutschland zu kommen.

Feuerschlucker drehten brennende Keulen, Akrobaten seilten sich von der Decke ab, Sängerinnen schwebten in Käfigen ein. Zwischen den Nominierten saßen Pierrots und Vogelmenschen, Stelzenmänner drehten auf Riesenrädern ihre Runden über die Bühnen und Laufstege. Es gab echte Flammenwände und dazu Glitzerregen.

Die Preise waren eher Nebensache. Im Mittelpunkt standen die von den 8000 Fans im Saal umjubelten Auftritte von Bands wie No Doubt („Settle Down“) oder Fun. („We Are Young“), von Sängerinnen wie Alicia Keys („Girl On Fire“) oder Rita Ora („R.I.P.“) – oder aber Psy. Dessen „Gangnam Style“ ist eine Parodie und eine Zirkusnummer - und war schon daher perfekt geeignet für diesen Abend.

Der Südkoreaner ist ein Quereinsteiger – zumindest in den globalen Pop-Zirkus. Er dachte sich ein Lied und einen lustigen Tanz namens „Gangnam Style“ aus, drehte ein verrücktes Video und stellte es ins Netz. Innerhalb weniger Wochen wurde der Clip mehrere hundert Millionen Mal angeklickt, er gilt inzwischen als das meistgesehene Video in der Geschichte des Internets.

Der Außenseiter (aus westlicher Sicht) gewann nicht nur den Preis für das beste Video, er wurde auch Sieger der Herzen bei dieser sonst so coolen Show. „Ich habe meine internationale Unschuld an die EMAs verloren“, scherzte der 34-Jährige. Noch nie sei er für einen internationalen Preis nominiert gewesen, noch nie vor einem weltweiten Publikum aufgetreten. „Ich bin ein Anfänger!“

Der inzwischen 60 Jahre alte Schauspieler und Sänger David Hasselhoff, der sich als Backstage-Reporter und Twitterer für MTV verdingt hatte, machte während der Pinkelpause beim kollektiven Gehopse mit – und selbst Heidi Klum deutete die zum Partyrenner gewordenen Verrenkungen an.

Die Moderatorin machte in wechselnden Zirkus-Outfits optisch eine gute Figur. Akustisch war sie weniger beeindruckend: ihre quietschige Stimme drang kaum zu den Fans in der Halle durch. Ihre Ansagen als Griff ins Klo zu bezeichnen wäre dennoch übertrieben – auch wenn sie im Vorspann zur Show ihrem verloren geglaubten Schmuck ins WC hinterhersprang, um dann in einer Pseudo-Wasser-Woge mitten in der Manege zu erscheinen.

Als Star-Bändigerin gab Heidi alles: schwebte in einem Reifen meterhoch über dem Publikum, wechselte ein halbes Dutzend Mal die Versace-Kleider, klatschte Männern auf nackte Hintern, jodelte sogar, damit die Zuschauer nicht vergessen, dass die Show aus Deutschland kommt.

Feierlich wurde es in all dem Getöse und Klamauk nur beim „Global Icon“, einer Sonder-Auszeichnung, die posthum Whitney Houston zuerkannt wurde. „Du hast Maßstäbe gesetzt für Generationen“, sagte Kollegin Alicia Keys und das Publikums blickte gerührt auf Einspielungen aus dem Leben der im Februar gestorbenen Pop-Diva.

Videoleinwände spielten überhaupt eine große Rolle. Justin Bieber, der dreifach ausgezeichnet wurde, fläzte sich auf einem Sofa und sprach eine vorher aufgezeichnete Videobotschaft. „Best Electronic“, „Best Hip-Hop“, „Best New“ – all das wurde auf den Leinwänden in den Ecken so schnell runtergenudelt, dass das Publikum gar nicht recht mitbekam, wer gewonnen hatte.

Hauptgewinnerin des Abends war der ziemlich blasse Country-Star Taylor Swift. Bei den Country Music Awards in den USA Anfang des Monats war sie leer ausgegangen, bei den MTV Europe Music Awards gewann sie fast in allen Kategorien, in denen sie nominiert war. Beste Sängerin, bester Liveauftritt, bester Look gingen an sie.

Auch die Kanadierin Carly Rae Jepsen hatte den Weg nach Frankfurt gefunden und wurde dafür mit zwei Auszeichnungen belohnt. Ihr Ohrwurm „Call Me Maybe“ ist der beste Song. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Denn eigentlich kann es keinen Zusammenhang geben zwischen Anwesenheit und Preiswürdigkeit, denn die Fans wählen die Sieger per Internet. Laut MTV gingen in diesem Jahr 184 Millionen Stimmen ein.

Glaubt man dem Voting, scheint Lady Gaga in der Gunst der Fans gerade im Sinkflug begriffen. Auch Rihanna, die in sechs Kategorien nominiert war, ging komplett leer aus. Taylor Swift aber durfte es am Ende nochmal richtig krachen lassen. Sie sang ihren Hit „We Are Never Ever Getting Back Together“ verkleidet als sexy Dompteuse, begleitet von Tänzerinnen in Zirkuslivree und mit viel Pyrotechnik.