Jonny K. wurde totgeprügelt. Nun gibt einer der Verdächtigen in der Türkei ein Interview. Es wird die Frage laut, was machen die Ermittler?

Berlin. Seit der bewegenden Trauerfeier für den totgeprügelten Jonny K. in Berlin sind noch keine 24 Stunden vergangen, da meldet sich einer der mutmaßlichen Schläger via „Bild“-Zeitung. Hinter vorgehaltener Hand sprechen Ermittler am Montag von einer grotesken Situation. Das Blatt hat den Verdächtigen nach eigenen Angaben in der Türkei ausfindig gemacht. Die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt will nicht mal sagen, ob mit einem Haftbefehl nach dem Mann gefahndet wird oder ob eine Auslieferung möglich ist.

Der 19-Jährige könnte laut Staatsanwaltschaft die treibende Kraft bei dem tödlichen Überfall ohne Anlass auf den jungen Berliner vor zwei Wochen gewesen sein. Sein Tod hatte bundesweit viele Menschen erschüttert. Die öffentliche Erwartung ist groß, dass die Täter schnell gefasst und hart bestraft werden. Doch Anwälte und Richter verweisen darauf, dass rechtsstaatliche Prinzipien für alle gelten.

Auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft hatten vermutet, dass sich der 19-Jährige in die Türkei abgesetzt hatte. War man ihm schon auf der Spur? Wussten die dortigen Behörden Bescheid? Oder wurde nur abgewartet? Bislang gibt es mehr Fragen als Antworten und den Verweis auf Ermittlungen, die nicht gefährdet werden dürften. Ob sich der frühere Boxer nun, wie im Interview angekündigt, in Berlin stellt, war noch ungewiss.

Anfangs sah es nach einem schnellen Erfolg für Polizei und Staatsanwaltschaft aus. Ein Verdächtiger stellte sich. Doch die Empörung kochte hoch, als zwei weitere Verdächtige, die sich bei der Polizei meldeten, nicht in Untersuchungshaft kamen. Inzwischen ist aber ein zweiter Verdächtiger in Untersuchungshaft gekommen. Die Beschwerde gegen die Haftverschonung des 21-Jährigen sei erfolgreich gewesen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Bei einem dritten Verdächtigen hatte ein Haftrichter den Antrag auf Haftbefehl abgelehnt.

Die Vereinigung der Strafverteidiger in Berlin verwahrt sich gegen Richterschelte. Sowohl die Familie des Opfers als auch die Beschuldigten hätten Anspruch auf Sachaufklärung – nach geltendem Recht. Wer populistische Süppchen kochen wolle, handle verantwortungslos. Die Strafverteidiger werfen der Polizei vor, Ermittlungen an die Presse zu verraten – um Stimmung zu machen.

Unabhängig von dem Gefühl, wie Justiz urteilen sollte, und der notwendigen Bekämpfung von Jugendgewalt betonen Juristen, dass Untersuchungshaft laut Gesetz keine Strafhaft ist. Sie diene nur der Sicherung des Hauptverfahrens – also, um eine Flucht zu verhindern.

Auch wenn es oft lange dauert und Umwege gibt – auch der Schläger vom Bahnhof Friedrichstraße, der einen Handwerker mit Fußtritten bei einem äußerst brutalen Gewaltangriff malträtierte, bekam letzten Endes eine Haftstrafe.

„Natürlich sind Polizei und Justiz sehr aktiv. Wir können nur nicht mit einem Koffer Geld in die Türkei reisen. Wir haben andere Methoden. Aber die darf ich jetzt nicht verraten“, sagt Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Laut Staatsanwaltschaft könnte ein deutscher Tatverdächtiger nur mit Haftbefehl sowie Auslieferungsersuchen zurückgeholt werden. Gesetzt wird darauf, dass der Verdächtige, der schon polizeibekannt gewesen sein soll, freiwillig bei den Berliner Ermittlern auftaucht.

In der „Bild“-Zeitung erklärt der Gesuchte, die anderen aus der Gruppe würden ihm die Hauptschuld in die Schuhe schieben. Er sei zwar dabei gewesen, habe auch geprügelt, aber nicht auf den am Boden liegenden Mann eingetreten. Ein Wort des Bedauerns, der Reue findet sich nicht.