Teile der Sperrzone in Schwabing sind nach der Bombensprengung wieder freigegeben. Die Brände waren nach der Detonation rasch unter Kontrolle.

München. Eine Stadt erholt sich: Nach der dramatischen Sprengung einer hochgefährlichen Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg in München sind Teile des gesperrten Bereichs wieder freigegeben worden. Die ersten Bewohner durften noch in der Nacht zu Mittwoch in ihre Wohnungen zurück, wie Feuerwehr und Polizei mitteilten.

Auch die U-Bahn könne inzwischen wieder fahren, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Ein kleinerer Bereich müsse jedoch zunächst noch gesperrt bleiben. Über eine Freigabe werde im Laufe des Tages entschieden.

Der 250 Kilogramm schwere amerikanische Blindgänger war am Dienstagabend im Stadtteil Schwabing gezielt gesprengt worden. 2.500 Anwohner wurden dafür in Sicherheit gebracht. Nach der Sprengung gerieten mehrere Dachstühle in Flammen. Die Feuerwehr hatte die Lage rasch unter Kontrolle. Menschen wurden nicht verletzt.

Münchens Kneipenviertel in Ausnahmezustand

Die Experten hatten die hochexplosive Fleigerbombe nach stundenlangem Nervenkrieg um 21.55 Uhr in die Luft gejagt. Doch kurz darauf standen mehrere Dachstühle in der Umgebung in Flammen. Durch die Detonation seien Splitter und brennendes Stroh durch die Luft gewirbelt worden, sagte ein Feuerwehrsprecher.

Ein Augenzeuge berichtete von Rauchsäulen, die über dem Viertel aufstiegen. Mehr als 100 Feuerwehrleute rückten aus. An den Absperrungen führten Anwohner, die zurück in ihre Wohnungen wollten, hitzige Gespräche mit den Einsatzkräften. Eine Stunde später dann die Entwarnung: Der Feuerwehrsprecher sagte: "Wir haben die Lage im Griff.“ Verletzt wurde niemand.

Das 250 Kilogramm schwere Ungetüm hatte aus einer Baugrube auf dem Gelände der ehemaligen Kultkneipe "Schwabinger 7“ nahe der Münchner Freiheit geragt. Dort hatten Arbeiter den Blindgänger Montagmittag entdeckt. Das Gebiet um den Fundort wurde am Abend weiträumig abgesperrt. Etwa 3.000 Menschen mussten der Feuerwehr zufolge ihre Häuser verlassen. 600 Menschen kamen in Notunterkünften in drei Schulen und einer Akademie unter.

Zuvor waren mehrere Versuche, das Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg zu entschärfen, gescheitert. Sprengmeister Günther Sobieralski war eigens aus Brandenburg angereist. Er bezeichnete die Bombe aufgrund ihres komplizierten chemischen Langzeitzünders als besonders gefährlich.

"Ich möchte nur noch heim“

Den ganzen Dienstag über herrschte gespenstische Ruhe im Kneipenviertel Münchner Freiheit. Wo sonst Tausende Menschen flanieren und feiern, übernahmen Polizei und Feuerwehr das Kommando.

Im Sophie-Scholl-Gymnasium wurden in der Nacht auf Dienstag 235 Menschen betreut. Im schattigen Hinterhof der Schule saß eine Gruppe älterer Herrschaften. Auf den ersten Blick wirkte es wie ein Kaffeeklatsch. "Jetzt haben wir schon Bierbänke, am Ausschank hängt's noch“, scherzte ein Mann. Die meisten in der Runde waren allerdings nicht zum Scherzen aufgelegt. Sie alle mussten Hals über Kopf ihre Wohnungen verlassen.

"Ich möchte nur noch heim“, klagte eine ältere Frau. Ihre Sitznachbarin schloss sich an. "Ich habe überhaupt nichts mitnehmen können. Da stand die Polizei plötzlich vor der Tür und hat gewartet, bis wir die Jacken anhatten“, berichtete die 79-Jährige.

Sascha Neumeier vom Bayerischen Roten Kreuz erzählte, in seinen elf Jahren bei der Organisation habe er selten vergleichbare Einsätze gehabt. "Der letzte in der Art war der Papstbesuch“, beschrieb er die Dimension. Die Situation in den Notunterkünften sei nicht immer einfach für die Betroffenen: Am Morgen etwa, pünktlich zur Bürozeit, habe es einen regelrechten Ansturm auf die Sanitäranlagen gegeben.

Ansturm der Hilfesuchenden

Von einem Ansturm hilfesuchender Menschen wussten auch die Mitarbeiter des Café "Le Roi Danse“ nahe der Absperrung an der Leopoldstraße zu berichten. "Wir sind ein Auskunftsbüro, ein Kaffeehaus und eine Toilettenanstalt“, scherzte ein Kellner. "So voll war es hier noch nie.“ In der Ecke stehe noch ein Koffer, den ein Gast in der Aufregung vergessen habe. Auf dem Tresen türmte sich das Geschirr. Daneben lagen Zettel und Dankesgrüße. Einer trug die Aufschrift: "Ohne euch wäre ich obdachlos.“ Auf einem anderen stand: "Guten Morgen an die freundlichsten Nachbarn in Schwabing. Wir danken euch herzlich für die Schlafmöglichkeit und den tollen Abend.“

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Derweil kochten die Mitarbeiter der Mensa der Ludwig-Maximilians-Universität für die evakuierten Schwabinger Bewohner, wie der Sprecher des Münchner Studentenwerks, Ingo Wachendorfer, sagte. Auf Bitten der Feuerwehr bereiteten die Köche am Dienstagmittag spontan 400 zusätzliche Essen zu.

Häme auf Facebook

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) lobte die "unglaubliche Gelassenheit“ der Bevölkerung. Der SPD-Politiker lebt selbst in der Gefahrenzone.

Indessen titelten Anhänger der einstigen Kultkneipe "Schwabinger 7“ auf der sozialen Plattform Facebook hämisch: "Rache der 'Schwabinger 7'“. Denn das Szenelokal musste für den Bau einer Luxusimmobilie weichen. Andere dagegen fühlten sich an alte Zeiten erinnert: "deswegen auch immer die Bombenstimmung“ oder "hatte früher schon das Gefühl, in der '7' auf einem Pulverfass zu sitzen“, hieß es.

Angesichts der gefährlichen Situation sagte Sprengmeister Sobieralski allerdings: "Bisher hat die 'Schwabinger 7' großes Glück gehabt.“

Mit Material von dapd