Der flüchtige Michael Heckhoff gehört zu den gefährlichsten Verbrechern Deutschlands. Ein Ex-JVA-Leiter: “Er hat nichts zu verlieren.“

16.02.1991: Geiselnehmer auf der Flucht: Essen - Der Gewaltverbrecher, der auf dem Polizeipräsidium von Mülheim (Ruhr) zwei Polizisten in seine Gewalt gebracht hatte, ist weiter auf der Flucht. Nach ihm wird bundesweit gefahndet. Staatsanwalt Gerd Unterberg sagte am Freitag in Essen, daß Michael Karl Heckhoff (32) mehrfach vorbestraft sei. Er verbüßte eine siebenjährige Haftstrafe wegen Verabredung zur Geiselnahme und steht im Verdacht, am 17. Januar bei einem Bankraub in Mülheim 330 000 Mark erbeutet zu haben. Am Donnerstag ließ er sich zunächst widerstandslos in einem CVJM-Heim festnehmen. Auf dem Polizeipräsidium nahm man ihm die Fesseln ab, damit er seine Taschen entleeren konnte. Heckhoff zog eine Pistole, fesselte den Gewahrsamsbeamten an die Heizung und zwang die beiden anderen Polizisten, ihn zum Streifenwagen zu begleiten. Der Täter ließ den männlichen Beamten in einer Tiefgarage zurück. Dann nahm er ein Taxi und entkam zu Fuß mit der Tageskasse. Den Fahrer und die Polizistin hatte er in den Kofferraum gesperrt. Der Schlüssel steckte. Heckhoff rief die Polizei an, die beide befreite. Die Frau erlitt einen Schock.

21.02.1991: Geiselnehmer stellte sich: Essen - Der 32 Jahre alte Michael Heckhoff, der vor einer Woche zwei Polizisten in seine Gewalt brachte, hat sich der Polizei in Mülheim/Ruhr gestellt. Die Waffen des mutmaßlichen Bankräubers wurden in einem Bahnhofsschließfach gefunden.

01.07.1992: Werl: Geiseldrama im "Liebesknast": Ein neues Geiseldrama hält Deutschland in Atem. Drei Schwerverbrecher haben in der Justizvollzugsanstalt Werl einen Zahnarzt, seine beiden Assistentinnen und vier Beamte in ihre Gewalt gebracht. Zwei der Inhaftierten sind bekannt: Michael Karl Heckhoff (33), genannt "der Geiselgangster mit dem Mutterkomplex", und Kurt Knickmeier (30) - ?der Kopfschußmörder vom Reiterhof'. Über den dritten Mann schweigt die Polizei. Ist es Dieter Degowski (35)? Der Gladbecker Geiselgangster wurde erst vor zwei Wochen von Wuppertal nach Werl verlegt. Die Tat war gut geplant. Seit Tagen klagten die Schwerverbrecher Michael Karl Heckhoff und Kurt Knickmeier über Zahnschmerzen. Gestern morgen passierte es dann: Vier Beamte der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl bringen die beiden aus dem Hochsicherheitstrakt ins Gefängnislazareth im Altbau. Doch dort wollen die Häftlinge plötzlich von Dr. Hans- Joachim Post keine Zahnfüllung mehr. Heckhoff zieht eine Pistole und schreit: "Keiner rührtsich. Sonst knallts." Die Beamten lassen sich ohne Gegenwehr entwaffnen. Sie wissen, wie gefährlich die Häftlinge sind: "Blacky" Heckhoff (bis zum Hals tätowiert) wird von vielen "der Geiselganster mit dem Mutterkomplex" genannt. Er war im Januar 1991 nach einem Banküberfall verhaftet worden. Doch als die Polizisten ihm auf der Wache die Handschellen abnahmen, zog er eine Pistole und nahm einen Kripobeamten und eine Kommissarin als Geiseln. Einem Freund gestand er einmal: "Draußen bin ich eine Null. Das kann ich meiner Mutter nicht erzählen. Deshalb überfalle ich Banken und erzähle ihr, daß ich das Geld verdient habe." Kurt Knickmeier ist noch gefährlicher. Er hatte im August 1985 im Kreis Herford den Reiterhof-Besitzer und Diskotheken-Millionär Günther Eickhoff, den Hofverwalter Volker Vogelsang und dessen Geliebte Anette Scheffler ermordet - per Kopfschuß. Knickmeier wurde auf der Flucht in Frankreich gefaßt. Er muß lebenslänglich sitzen, hat also nichts zu verlieren. Kein Wunder, daß er und Heckhoff in der JVA sofort Ernst machen. Sie binden der Arzthelferin Sandra Kirchhoff (24) eine "Todesschlinge" aus Draht um den Hals. Dann stellen sie ihre Forderungen: eine Million Mark Lösegeld, freies Geleit und ein schnelles Fluchtauto. Über Radio verbreitet sich die Nachricht vom Geiseldrama in Werl wie ein Lauffeuer. Viele der 30 000 Einwohner strömen zu der JVA. Das größte Gefängnis Nordrhein-Westfalens (bis zu 1170 Häftlinge und 400 Wärter) hatte erst vor kurzem als "Liebesknast" für Aufsehen gesorgt. Die Anstaltsleitung hatte Zellen eingeführt, in denen Insassen unbeaufsichtigt ihre Ehefrauen treffen. Am Nachmittag sieht es plötzlich so aus, als würden die Gangster fliehen. Die Polizei sperrt das Gebiet weiträumig ab. Zehn Einsatzbusse fahren vor. Panzerwagen stehen bereit. Und ein Pkw. Das Fluchtauto? Ein Kiosk wenige Meter vor dem rotweißen Sperrband dient inzwischen als Nachrichtenbörse. Seit 1974 hat es in der Bundesrepublik ein Dutzend Geiselnahmen in Gefängnissen gegeben. Die spektakulärsten Fälle: 28.12.76: Drei zu lebenslänglich Verurteilte nehmen in der JVA Schwalmstadt (Hessen) vier Beamte als Geiseln und entkommen. Nach mehrstündiger Flucht werden zwei gefaßt. Der dritte erschießt eine Frau und tötet sich bei seiner Festnahme. 13.10.88: Ein Häftling nimmt in der Haftanstalt Herzebrock einen Mitgefangenen als Geisel. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei überwältigt ihn, als beide ins Auto steigen wollen. 2.9.89: In der JVA Rheinbach zieht ein Gefangener einen Beamten in seine Zelle, bedroht ihn mit einem Messer. Als er versucht, sich die Pulsadern zu öffnen, wird er überwältigt. 21.10.91: In der JVA Celle bringen vier Strafgefangene drei Beamte in ihre Gewalt und erzwingen mit zwei der Geiseln und zwei Millionen Mark Lösegeld die Flucht. Zwei Tage später überwältigt ein Sondereinsatzkommando der Polizei die vier Geiselnehmer in einer Garage in Karlsruhe und in Ettlingen. se" der Schaulustigen. Wer ist der dritte Geiselnehmer? War auch er beim Zahnarzt? Oder haben die anderen ihn freigepreßt? Ist es Dieter Degowski? Der Gladbecker Geiselgangster wurde vor zwei Wochen aus Wuppertal nach Werl verlegt. Sein Komplize Hans-Jürgen Rösner ist Heckhoffs großes Vorbild. Die Kripo wimmelt ab. Einen Namen nennt sie jedoch nicht. Inzwischen sickert durch, daß die Gangster vier Geiseln freigelassen haben. Dr. Post, Sandra Kirchhoff und der Wärter Klaus Oebel aber sind gestern nacht noch in ihren Händen. Mindestens zwei von ihnen wollen Heckhoff und Knickmeier auf ihrer Flucht mitnehmen. Wenn es dazu kommt. Ein Insider: "Die werden ausgehungert ..."

24.11.1993: Geiselgangster von Werl vor Gericht - "Freiheit oder Tod": Arnsberg - Sie hatten zwei ihrer sechs Opfer mit Benzin übergössen und angezündet: Der Prozeß vor dem Landgericht in Arnsberg gegen die Geiselgangster von Werl begann gestern unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen. Gleich zu Beginn überraschte die Verteidigung mit dem Antrag, die Verhandlung auszusetzen. Der Anwalt Michael Heckhoffs (34) begründete ihn mit der Verfassung seines Mandanten, der beim Sturm auf die Haftanstalt Werl angeschossen worden war. Er sei geistig nicht aufnahmefähig. Der Antrag wurde abgelehnt. Im Sommer vergangenen Jahres hatte Heckhoff zusammen mit seinem Komplizen Kurt Knickmeier (31) bei einem Zahnarzttermin im Gefängnis drei Beamte und drei Arzthelferinnen als Geiseln genommen. Nach mehrstündigen Verhandlungen stürmte ein Sondereinsatzkommando die Anstalt. Doch vorher zündeten die Gangster zwei Geiseln an, verletzten sie schwer. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten unter anderem versuchten Mord in zwei Fällen, Geiselnahme und erpresserischen Menschenraub vor. Heckhoff saß neben anderen Delikten wegen Geiselnahme in Werl ein, Knickmeier wegen dreifachen Mordes. Er sagte zu Beginn des Verfahrens aus, er und sein Komplize seien damals "frustriert" gewesen. Sie seien sich einig gewesen, daß ihnen eme Flucht nie gelingen würde. Also hätten sie die Geiselnahme geplant. Für beide habe die Devise bei dieser Aktion geheißen: "Freiheit oder Tod".

23.12.1993: Lebenslang: Arnsberg - Das Landgericht Arnsberg hat Michael Heckhoff (34) und Kurt Knickmeier (31) zu lebenslangverurteilt. Sie hatten in der Haftanstalt Werl fünf Geiseln genommen und zwei davon mit Benzin Übergossen, angezündet und schwer verletzt.