Zwischen Ostbahnhof und Bahnhof Zoo geht nichts mehr. Doch die Fahrgäste nutzen geduldig den Notfallplan.

Berlin. Leere Bahnsteige, Notfahrplan, wenige, aber voll besetzte Züge. Die Behörden in Berlin hatten sich auf einen "schwarzen Montag" eingerichtet. Doch das befürchtete Chaos im Berufsverkehr blieb gestern aus. Auch auf den Straßen der Hauptstadt kam es nur vereinzelt zu Staus.

Viele Berliner nahmen den Ausfall Hunderter S-Bahnen gelassen. Sie quetschten sich in Regionalzüge oder fuhren mit dem Rad zur Arbeit. "Zudem sind uns die Schulferien zu Hilfe gekommen", sagte ein Bahnsprecher. Es seien viel weniger Menschen unterwegs als sonst. Im Schnitt nutzen 1,3 Millionen Fahrgäste an einem Werktag die S-Bahn.

Zwei Drittel der mehr als 500 Züge mussten wegen nachlässiger Wartung der Räder von der Schiene genommen werden. Den Rädern hatte das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zuvor mangelnde Dauerfestigkeit bescheinigt. Der Aufforderung, deshalb die Prüfintervalle zu verkürzen, war die S-Bahn nicht nachgekommen. Ausgelöst hatte die Sicherheitsüberprüfungen ein Unfall der wichtigsten S-Bahn-Baureihe 481/482: Nach einem Radbruch war ein Zug am 1. Mai in Kaulsdorf entgleist. Nur weil er bei der Einfahrt in den Bahnhof relativ langsam fuhr und sich der Radbruch zudem an der letzten Achse des Zuges ereignete, ging der Zwischenfall glimpflich aus. Doch die Sicherheitsbedenken der Aufsichtsbehörden sind groß. Sie wies die Bahn an, zunächst insgesamt 4000 Räder an den jeweils ersten und letzten Achsen der Wagen auszuwechseln.

Die Folgen: Auf der zentralen Ost-West-Verbindung fahren seit gestern zwischen Ostbahnhof und Bahnhof Zoologischer Garten keine S-Bahnen mehr. Als Ersatz sind sieben Regionalzüge pro Stunde in beide Richtungen unterwegs. Am Bahnhof Alexanderplatz versperrten rot-weiße Bänder den Zugang zu den Rolltreppen auf den S-Bahnsteig. Das gläserne Aufsichtshäuschen war verwaist. Aufgestellte Tafeln verwiesen auf die Regionalzüge am Nachbarbahnsteig. Die doppelstöckigen Bahnen waren proppevoll, selbst auf den Treppen in den Wagen kauerten Reisende. Hinzu kamen dicke Rucksäcke und Fahrräder - trotzdem herrschte fast gespenstische Ruhe. Am Bahnhof Friedrichstraße sagte der Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit leuchtend oranger Weste: "Im Prinzip läuft alles, es sind nur ganz wenige Leute nervös."

Bei der S-Bahn, die zur Deutschen Bahn gehört, sagte ein Sprecher, in den ersten beiden Stunden nach Betriebsbeginn bis etwa 6 Uhr habe es Probleme gegeben. Dann habe sich der Notplan eingespielt. "Wir sind ganz zufrieden." Viele Fahrgäste hätten Alternativen gesucht.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) helfen der S-Bahn. 40 Busse bringen Fahrgäste zu den Bahnhöfen, an denen die Regionalbahnen halten. Die BVG haben ihren Ferienplan abgesetzt und fahren mit "allem, was fahren kann", hieß es. Auch U-Bahnen und Straßenbahnen haben mehr Wagen als sonst. In ihrer derzeitigen Notlage hat die Berliner S-Bahn Verstärkung auch von anderen Bundesländern erhalten. "Vier S-Bahnen aus München und Stuttgart fahren seit Montag zwischen Gesundbrunnen und Südkreuz, um den Pendelverkehr zu entlasten", sagte ein Bahnsprecher. Zudem seien Regionalzüge aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und aus Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Insgesamt sollen neun Züge helfen, die Folgen des Ausfalls aufzufangen. Die Folgen treffen auch den Handel: In einer Bäckerei am S-Bahnhof Tiergarten, der nun abgeschnitten ist, beklagte der Filialleiter: "Wir haben heute schon 75 Prozent weniger Umsatz. Wenn das so weitergeht, machen wir jeden Tag Verlust von bis zu 1000 Euro - wir leben von den Bahnkunden."

Bis zum 9. August soll der Notfahrplan gelten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rief die Berliner zu Solidarität und Rücksichtnahme auf. Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) dankte den Mitarbeitern der Nahverkehrsunternehmen für ihre flexible Arbeit während der Ausnahmesituation: "Mein Dank gilt allen, die durch ihren engagierten Einsatz dazu beitragen, diese schwierige Situation zu meistern."