Flughafen-Eröffnung, S-Bahn-Chaos, Bundesliga-Abstieg: Die Hauptstädter ertragen den anhaltenden Spott und Hohn jedoch mit Humor.

Berlin. "So wie wir heute arbeiten, werden die Berliner morgen leben." Diese Erkenntnis durfte in der DDR nur hinter vorgehaltener Hand erzählt werden, denn dass die "Hauptstadt der DDR" mit allem an Versorgungsgütern und Dienstleistungen bedacht wurde, was die marode Wirtschaft hergab, war Staatsdoktrin und nicht infrage zu stellen. Offen hingegen können jetzt die Bundesbürger über die vielen Pannen in der Hauptstadt des vereinten Deutschlands lästern.

Seitenhiebe auf Berlin gehören spätestens seit dem Debakel um den Starttermin des Flughafens Berlin-Brandenburg zum guten Ton. Als in der amerikanischen Stadt Atlanta ein neuer Airport eingeweiht wurde, begann "Die Welt" ihren Bericht mit den Worten: "Davon kann Berlin nur träumen." Ein wenig Schadenfreude konnte sich auch das polnische Fremdenverkehrsamt nicht verkneifen. "Der neue Hauptstadt-Flughafen wurde planmäßig eröffnet. In Warschau", stichelte eine Agentur im Anschreiben zu den Presseinformationen der Tourismusförderer. Und Autor Harald Martenstein schrieb im "Zeit"-Magazin: "Der Letzte, der in Berlin korrekt ein Bauwerk errichten konnte, mit fließend Wasser und allem, war Kaiser Wilhelm."

+++ Kein TÜV: Berlin blamiert sich vor der ganzen Welt +++

Auch die regionalen Zeitungen haben Erfahrung darin, den realen Irrsinn in süffisante Schlagzeilen zu packen. Die "Berliner Morgenpost" landete nach dem Platzen des Flughafen-Termins und dem Hertha-Abstieg einen Coup mit dem Slogan: "Berlin ist, wenn man nicht mal einen Flughafen braucht, um rauszufliegen." Die "taz" lästerte: "Berlin kriegt keinen hoch."

Apropos Fußball. Berlin ist die einzige Hauptstadt in Europa, die keinen Erstliga-Klub (mehr) hat. Irgendwas macht die "Alte Dame" falsch. "Sobald ein Spieler den Verein wechselt, stellt sich heraus, dass er sehr gut spielen kann, überall, aber nicht in Berlin", stellte Martenstein fest. Und das Lästern - neudeutsch Berlin-Bashing - treibt neue Blüten. Lautete 2009 Reinhard Mohrs Polemik gegen den Party-Tourismus noch "Ballermann an der Spree", haben jetzt die Souvenirhändler reagiert. Sie verbreiten ein Schwarz-Weiß-Porträt von Ex-DDR-Staatschef Walter Ulbricht mit dem leicht abgewandelten Zitat "Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu eröffnen".

Eines muss man den Berlinern dabei lassen: Humor ham se. Sie legen gern selbst den Finger in die Wunde. In der Bäckerei Morgenbrot im Stadtteil Friedrichshain hat jemand das Hauptstadtgefühl auf ein DIN-A4-Blatt gedruckt. "Berlin. Wir können alles. Außer ..." steht darauf, gefolgt von einem Flugzeug-Symbol, einem S-Bahn-Logo und dem Zeichen der Ersten Bundesliga. Verschiebung, Chaos, Abstieg.

Die Selbstironie gehört zum Lebensgefühl an der Spree wie die Berliner Schnauze. Die Frage "Hatten Sie schon mal ungeschützten Schienenersatzverkehr?", die auf das Chaos im Nahverkehr zielt, ist schon länger ein Bonmot, eine S-Bahn-Variante von "Mensch, ärgere dich nicht" gibt es im Netz. Ebenfalls ein Schmunzel-Garant: "Die vier größten Feinde der S-Bahn: Frühling, Sommer, Herbst, Winter."

Für viele Auswärtige passen die wiederholten Pannen ins Klischee. Im Internet kursiert eine Deutschlandkarte aus Sicht der Bayern, die Berlin zu "Sodom und Gomorrha" erklärt: Die Hauptstadt liegt dort irgendwo in der Region, "wo die Steuergelder verbraten werden" und per Solidarzuschlag finanzierte "Prunkautobahnen" durchs Land führen - möglicherweise eine Anspielung auf den Länderfinanzausgleich, durch den die Hauptstadt Milliarden Euro aus reichen Bundesländern zugeschoben bekommt. Da kann Stadtchef Klaus Wowereit nur noch lächelnd abwiegeln. "Wir haben jetzt sogar zwei Flughäfen. Gucken Sie mal, wir hätten sonst nur noch einen gehabt."

Doch genug des Schmähs! Schließlich haben auch andere Städte ihre "Baustellen": Hamburg krankt an der Elbphilharmonie, und in Stuttgart gibt es eine unterirdische Auseinandersetzung um den Bahnhofsneubau ...