KaRlsruhE. Im März 2010 hatte Hells-Angels-Rocker Karl-Heinz B., 44, einen Polizisten eines Sondereinsatzkommandos (SEK) erschossen. Gestern sprach der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe den Rocker aus Anhausen im Westerwald (Rheinland-Pfalz) überraschend vom Vorwurf des Totschlags frei. Begründung: Er habe irrtümlich eine Notwehrlage ("Putativnotwehr") angenommen und deshalb letztlich straflos gehandelt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sprachen von einem "fatalen" und "schlimmen" Signal.

Der Rocker hatte einen hinter der teilverglasten Eingangstür seines Hauses stehenden Polizisten, 42, mit zwei Schüssen aus seiner Pistole getötet, weil er annahm, es handele sich um ein Mitglied des rivalisierenden Rockerklubs Bandidos, von dem er sich bedroht fühlte. Tatsächlich versuchten SEK-Beamte bei einer Durchsuchungsaktion, die Haustür aufzubrechen. Das Landgericht Koblenz hatte den Hells Angel wegen Totschlags zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Richter: Er hätte einen Warnschuss abgeben müssen.

Dem widersprach jetzt der BGH (Az.: 2 StR 375/11). Im Augenblick - irrtümlich angenommener - höchster Lebensgefahr sei dem Angeklagten nicht zuzumuten gewesen, durch einen Warnschuss auf sich aufmerksam zu machen. GdP-Chef Bernhard Witthaut entsetzt: "Das Urteil kann dazu führen, dass Schwerstkriminelle glauben, sie dürften durch Türen schießen, wenn die Polizei sie festnehmen will."