Nach dem Prinzip “Auge um Auge“ wollte die Iranerin ihren Peiniger blenden. Ob und wann die Racheaktion nun stattfindet, ist offen.

Teheran. Wie die iranische Nachrichtenagentur ISNA am Sonnabend unter Berufung auf Justizkreise berichtete, hat die iranische Justiz die Vergeltungsaktion, bei der eine Frau nach einem Säureattentat an ihrem Peiniger Rache üben wollte, auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Iranerin Ameneh Bahrami wollte ihren Peiniger am Sonnabendmittag in einem Krankenhaus in Teheran auf beiden Augen blenden. Der Mann hatte ihr 2004 Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet, weil sie mehrere Heiratsanträge abgelehnt hatte. Seitdem ist die 32-Jährige blind, ihr Gesicht ist völlig entstellt. Vor Gericht hatte sie erstritten, dass sie den Attentäter nach dem Prinzip „Auge um Auge“ strafen darf.

Bahrami lebt heute in Spanien und war extra für die Racheaktion nach Teheran gereist. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte sich am Freitag gegen die Blendung ausgesprochen. In islamischen Gesetzen gibt es das „Auge um Auge“-Prinzip, das dem Opfer erlaubt, dem Täter das gleiche Leiden zuzufügen. Nach dem Gerichtsurteil durfte Bahrami dem Mann, der wegen der Tat eine Gefängnisstrafe absitzt, mit einer Pipette Säure in die Augen träufeln. Der Mann sollte dafür betäubt werden. Ob und wann die Blendung nun stattfindet, wurde nicht bekannt.

Bahramis Gesicht ist von der Säure zerfressen. Die Haut ist narbig und gespannt. Ihr rechtes Auge ist aus Glas, das linke von einem Hautstück überwachsen. Die Ärzte haben praktisch keine Hoffnung, dass sie jemals wieder sehen kann. Ameneh musste mehr als 20 Operationen an den Augen und am Gesicht über sich ergehen lassen.

„Das Attentat hat mein Leben zerstört“, hatte sie 2009 in einem Interview gesagt. „Ich habe fast alles verloren, mein Gesicht, mein Augenlicht, meine Arbeit.“ Damals, im September 2004, war die Elektrotechnikerin in Teheran auf der Straße von einem Studienkollegen gestoppt worden. Der fünf Jahre jüngere Madschid Mowahedi schüttete ihr Schwefelsäure ins Gesicht, die er in einer Drogerie für umgerechnet drei Euro gekauft hatte. Die Säure verätzte Ameneh das Gesicht, den Hals und die Hände. Die junge Frau hatte zuvor einen Heiratsantrag des Studenten abgewiesen, den dieser über seine Mutter hatte übermitteln lassen. „Ich kannte ihn fast gar nicht“, sagt Ameneh. „Er war kein Freund oder Verlobter. Ich hatte ihn nur in der Universität ein paar Mal gesehen.“

Nach dem Attentat wurde sie in verschiedenen Krankenhäusern behandelt. „Dann sagten mir die Ärzte, dass sie für mich nichts mehr tun konnten, und empfahlen mir, mich in Barcelona behandeln zu lassen“, erinnert sie sich. Dort gelang es den Medizinern, an einem Auge die Sehkraft wiederherzustellen. Aber Ameneh erlitt später eine Infektion – möglicherweise infolge der unhygienischen Verhältnisse in einem Obdachlosenasyl – und erblindete völlig.

Im Iran hatte sie in einem Prozess über mehrere Instanzen erstritten, dass sie den Säureattentäter auf beiden Augen blenden darf. Ursprünglich hatten die Richter ihr nur ein Auge des Täters zugestanden. „Nach dem Scharia-Recht sind zwei Augen einer Frau nur ein Auge eines Mannes wert“, sagt sie. Der Verurteilte, der im Iran im Gefängnis sitzt, werde bei der Vollstreckung keine Schmerzen spüren – anders als sie damals bei dem Attentat. Er wird betäubt sein, wenn ihm die Säuretropfen in die Augen geträufelt werden.

Offen ist, ob sie das selbst ausführen oder - wegen ihrer Blindheit - ein Familienmitglied die Blendung übernehmen soll. "Ich würde es am liebsten selbst tun. Aber meine Mutter und Freunde haben gesagt, dass ich wegen meiner Blindheit dazu nicht in der Lage sein werde", hatte Ameneh vor zwei Jahren gesagt. Nach Angaben des mvg-Verlags in München möchte die Frau es nun selbst tun. In dem Verlag ist die Geschichte Ameneh Bahramis erschienen.

Der Fall und das Urteil des Gerichts im Jahr 2008 hatten weltweit für Aufsehen gesorgt. Auch iranische Stellen hatten versucht, das Opfer umzustimmen und dazu zu bewegen, auf die Vollstreckung zu verzichten.