In Babenhausen wurde ein Ehepaar in seinem Haus erschossen. Die Tochter überlebte nur knapp. Ein Nachbar steht jetzt vor Gericht.

Darmstadt. Im Doppelmordprozess vor dem Landgericht Darmstadt hat die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe für den Nachbarn des getöteten Ehepaars gefordert. Auch sei die besondere Schwere der Schuld festzustellen und damit eine vorzeitige Haftentlassung auszuschließen, sagte der Anklagevertreter am Mittwoch. Die Verteidigung hingegen plädierte auf Freispruch. Die Beweise seien „mehr als lückenhaft“, argumentierten die Anwälte des 41-Jährigen. Das Gericht kündigte für Dienstag (19. Juli) das Urteil an. Laut Anklage erschoss der Mann seine Opfer, weil er sich von den Streitereien des Paars belästigt fühlte. In den bisher 18 Verhandlungstagen stritt der Familienvater die Vorwürfe stets ab.

Der Täter erschoss an dem frühen Aprilmorgen erst das Ehepaar und verletzte danach mit zwei Kugeln die im Bett liegende Tochter. Die heute 38 Jahre alte Frau überlebte die Bluttat schwer verletzt und irrte danach einen Tag lang durchs Haus. Sie wurde erst am Folgetag im Vorgarten des Anwesens entdeckt. Bei ihren Indizienbeweisen stützt sich die Anklage auch auf den bei dem Mord verwendeten Schalldämpfer, einen Selbstbau unter Verwendung von Bauschaum.

Schalldämpfer-Bauplan auf Computer des Angeklagten

Auf den Firmencomputer des Angeklagten wurde 2009 eine entsprechende Konstruktionsanleitung aus dem Internet heruntergeladen. Auch sein Verhalten nach der Tat spreche gegen den Beschuldigten, sagte Staatsanwalt Jens Neubauer in seinem Plädoyer. Während die Ermittlungen noch liefen, hatte sich der Nachbar im Internet über die Erhebung von DNA-Beweisen und den Einsatz von polizeilichen Spürhunden informiert. Die Anklage sieht den 41-Jährigen auch durch Schmauchspuren überführt, die an seiner Hose gefunden wurden.

Von einer Indizienkette könne nicht die Rede sein, erwiderte Strafverteidiger Christoph Lang. Auf den Firmencomputer des Angeklagten hätten zu viele Mitarbeiter Zugriff gehabt, auch das Verhalten seines Mandanten nach der Tat sei in einer so besonderen Situation verständlich. Überdies habe am Tatort keiner der eingesetzten Spürhunde den Geruch des Angeklagten aufnehmen können. Dass sein Mandant, wie von der Staatsanwaltschaft angeführt, „Gelegenheit zur Tat“ gehabt hätte, sei alles andere als ein Beweis. Der Verteidiger fügte hinzu: „Bei einer solchen Argumentation wird einem schwindlig.“ Auch reiche das Motiv für die Tat nicht aus.

Die Tochter des getöteten Ehepaars konnte im Prozess nicht aussagen. Die Frau ist seit ihrer Kindheit am Asperger-Syndrom erkrankt, einer Variante des Autismus. Laut einem Gutachten droht der Tochter durch eine Konfrontation mit dem Tatgeschehen eine „Re-Dramatisierung“. Die Frau sei „rechtlich unerreichbar“, stellte das Gericht fest.

Beide Seiten hatten je eine Stunde plädiert. Die Gelegenheit zum letzten Wort eines Angeklagten nahm der 41-Jährige nicht wahr.