Am Tag des Kusses feiert die Welt nicht nur ein Begrüßungsritual. So wie es viele Arten des Kusses gibt, so vielfältig sind auch seine Wirkungen.

Berlin. In nur drei Worten beschrieb der Lyriker Adelbert von Chamisso das Küssen: „Geben, nehmen, wiedergeben.“ So lautete eine Zeile aus dem Gedicht „Küssen will ich, ich will küssen“. Ganz schön verliebt muss der Dichter beim Schreiben gewesen sein, denn das Küssen sollte nicht mehr aufhören. Schmachtend resümierte er: „Küssen ist ein süßes Spiel.“ Jeder weiß, was der Kuss alles sein kann und was er mit jemandem machen kann: Betören, verbinden und zerstören. Der Kuss ist Symbol für Liebe, Freundschaft und Verrat. Kein Wunder, dass er seit jeher Inspiration für Schriftsteller, Maler und Filmemacher ist. So mancher Künstler wurde von der Muse geküsst. An diesem Mittwoch ist Internationaler Tag des Kusses.

Längst ist der Kuss auch ein beliebtes Forschungsthema. „Der Kuss ist ein Begrüßungsritual“, erklärt der Biopsychologe an der Freien Universität Berlin, Peter Walschburger. Und eines ist dabei klar: Die Ursprünge des Kusses sind unromantisch. „Wahrscheinlich liegt der evolutionäre Ursprung des Kusses beim Füttern der Nachkommen.“ Irgendwann hätten Schimpansen und Menschen die vorgekaute Nahrung an ihre Kinder weitergegeben. Aus diesem „Kussfüttern“ habe sich der Kuss vermutlich als eine Begrüßung entwickelt.

Die unterschiedlichen Formen des Kusses haben letztlich auch etwas damit zu tun, wen man küsst - und wie. So wird der sozialistische „Bruder“ anders geküsst als die Mutter. Der Bekannte in Frankreich bekommt ein Küsschen, der Partner wird oft mit Zunge geküsst.

Dass sich beim leidenschaftlichen Küssen ein prickelndes Gefühl einstellt, ist nicht nur pure Einbildung. Im sensiblen Teil des Gehirns lösten Küsse starke Empfindungen aus, sagt Walschburger. Bei Verliebten stellt sich außerdem dieses beflügelte Gefühl ein - sie meinen, sie könnten Bäume ausreißen. Küssen macht also gewissermaßen stark.

„Der Kuss hat auch einen immunisierenden Effekt“, erklärt der Psychologe. Verliebte lebten in einem ungeheuren Stimmungshoch und hielten sich für unverwundbar. Dies verbessere ihre körperliche Abwehr: Gelingende Sozialkontakte könnten auch das Immunsystem stärken.

Küssen spielt auch bei der Partnerwahl eine Rolle. So ist es kein Zufall, wen man küsst. Nach dem Motto: Wen ich nicht riechen kann, küsse ich nicht. Das ist eine These der Biologieanthropologin Helen Fisher von der Rutgers University in den USA. Küsse dürften auch ruhig feuchter sein, weil Spucke die Sexlust ankurbele. Vor allem Männer bevorzugten nasse Küsse.

In einem Punkt aber sind Männer und Frauen wohl beim Küssen gleich. Die Erinnerung an einen schönen Kuss spielt eine große Rolle und regt die Fantasie an - selbst wenn er Jahrzehnte zurückliegt. Erst kürzlich hat der Kinderbuchautor Janosch, heute stolze 80 Jahre alt, in einem Interview mit der Zeitschrift „Bunte“ gestanden: „Ich saß am 28. Mai 1953 auf einer Bank im Englischen Garten, hatte die Augen geschlossen. Da kam ein Mädel, küsste mich und ging dann leise weg.“ Er habe zwar nur ihre Rückseite gesehen, „aber sie muss auch von vorn sehr schön gewesen sein“.