Die radioaktive Belastung durch die Atomruine in Fukushima ängstigt die Menschen. Die Regierung erwägt abermals eine Ausweitung der Sperrzone.

Tokio. Die japanische Regierung erwägt eine erneute Ausweitung der Evakuierungsgebiete um die Atomruine Fukushima. „Wir werden in naher Zukunft zu einer Entscheidung kommen“, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch dazu laut der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo. Wegen der langfristigen Strahlenbelastung waren bereits zuvor Einwohner einiger Gemeinden außerhalb der 20-Kilometer-Sperrzone um das AKW Fukushima zum Verlassen der Häuser aufgefordert worden.

Bekannte Autoren wie Literatur-Nobelpreisträger Kenzaburo Oe oder Musiker wie Ryuichi Sakamoto wollen laut Kyodo für Sonntag 50.000 Menschen in Tokio zu einer Anti-Atom-Demonstration mobilisieren. An diesem Tag liegt der Beginn der Katastrophe genau 100 Tage zurück.

Unterdessen besuchte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin zum Auftakt seines Japan-Besuches das Evakuierungszentrum Iwaki in der Präfektur Fukushima. Trittin will sich vor allem über die Konsequenzen aus der Reaktorkatastrophe informieren. Auf dem Programm seines dreitägigen Aufenthalts stehen auch Gespräche mit Politikern, Wirtschaftsvertretern und Umweltorganisationen. Am Dienstag hatte bereits Unions-Fraktionschef Volker Kauder als erster deutscher Politiker die Katastrophenregion im Nordosten besucht.

Die Bayerische Staatsoper wird rund ein halbes Jahr nach der Erdbeben- und Nuklearkatastrophe in Japan in das krisengeschüttelte Land fahren. Die Oper werde an der von Mitte September bis Mitte Oktober geplanten Tour festhalten, teilte das Haus am Mittwoch in München mit. Auch Star-Tenor Jonas Kaufmann werde dabei sein. Opernintendant Nikolaus Bachler und Generalmusikdirektor Kent Nagano waren Anfang Juni nach Japan gereist, um sich ein Bild von der Situation in dem Land zu machen.

Derweil hat radioaktive Strahlung an Tee-Blättern erste Folgen für die Bauern in der Provinz Shizuoka. Einige Plantagen in Japans berühmter Teeanbau-Provinz sollen den Verkauf radioaktiv belasteter Teeblätter stoppen, wie die lokalen Behörden bekanntgaben. Fünf Plantagen in Japans größter Teeanbau-Region wurden aufgefordert, freiwillig den Vertrieb der Blätter einzustellen und die bereits ausgelieferten zurückzurufen. Bei Untersuchungen war dort in Folge des Atomunfalls radioaktive Strahlung oberhalb der Grenzwerte gemessen worden. Die Behörden hatten 20 Plantagen in dem Anbaugebiet Warashina, 370 Kilometer südwestlich von der Atomruine Fukushima, untersucht. In Warashina war vor kurzem in getrockneten Teeblättern radioaktives Cäsium festgestellt worden.

Grüner Tee aus Japan wird in aller Welt für seine gesundheitsfördernde Wirkung geschätzt. Der Bürgermeister der Provinzhauptstadt Shizuoka erklärte laut Medienberichten, er werde von der Zentralregierung in Tokio Schadenersatz verlangen. Japan hatte im vergangenen Jahr 83.000 Tonnen getrocknete Teeblätter produziert. Davon entfielen 40 Prozent auf die Provinz Shizuoka. Die lokalen Behörden wollen nun weitere Strahlenmessungen vornehmen. In Deutschland wurden bei bisherigen Überprüfungen durch Behörden der Bundesländer keine erhöhten Strahlenwerte in Tee aus Japan festgestellt, wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf Anfrage mitteilte.

Unterdessen arbeitete der Betreiber der Atomruine, Tepco, am Mittwoch weiter daran, eine Anlage zur Dekontaminierung von hochgradig verseuchtem Wasser an diesem Freitag in Betrieb zu nehmen. Die Inbetriebnahme gilt als wichtiger Schritt bei der Bewältigung der Krise. Mit dem System sollen die großen Mengen verseuchten Wassers gereinigt werden, das zur Kühlung der Reaktoren benötigt wird. Statt immer neues Wasser in das AKW zu pumpen, soll das kontaminierte Wasser recycelt und zur weiteren Kühlung verwendet werden. Die verseuchte Brühe behindert die Arbeiten zur Instandsetzung der zerstörten Kühlsysteme des AKW.