Ärchäologen streiten, ob es sich bei Buch-Fund in Galiläa um das älteste Zeugnis der Christenheit handelt. Jordanien fordert Schatz von Israel zurück

Amman. Die rund 70 teilweise versiegelten Bücher aus Blei und Kupfer wirken wenig spektakulär: Die fünf bis 15 Seiten knapp über Kreditkartengröße sind von Korrosion zerfressen, ihre Inhalte sind kaum zu entziffern.

Das angebliche Alter aber macht das rostige Ringbuch zur jüngsten Sensation auf dem spannenden, aber auch an faulen Früchten reichen Feld der Bibelarchäologie: Eine metallurgische Untersuchung schätzt es auf 2000 Jahre, also einer Zeit, als die Jünger von Jesus noch lebten. Sind die Schriften echt und ihre Deutung zutreffend, besitzt der Lastwagenfahrer Hassan Saeda aus Shibli-Umm Al-Ghanam in Galiläa nicht nur das älteste archäologische Zeugnis aus der frühen Christenheit, sondern sogar Jesu erstes und einziges authentisches Porträt.

Ziad al-Saad, Leiter der jordanischen Antiquitätenverwaltung in Amman, rühmt den Fund entsprechend enthusiastisch als "wichtigsten in der Geschichte der Archäologie": "Die Kodizes sind vielleicht noch bedeutender als die Schriftrollen vom Toten Meer."

Der Experte ist überzeugt, dass Jünger Christi nach der Kreuzigung Buchstaben und Bilder ins Blei ritzten und die Erinnerungsbücher nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 nach Christus ins Exil retteten.

Zuvor hatte bereits Entdecker David Elkington, 49, den Bleisatz als "möglicherweise wichtigsten Fund der christlichen Geschichte überhaupt" bezeichnet: Der britische Privatgelehrte will auf den Plättchen außer frühhebräischen und altgriechischen Schriften sowie einen siebenarmigen Leuchter auch ein Kreuz vor einem Grab und einem Bild Jerusalems erkennen. Philip Davies, emeritierter Professor für Biblische Studien an der Universität Sheffield, gibt sich von dem Fund geradezu "dumbstrucked" - "wie vor den Kopf geschlagen": "Die Kodizes bringen dramatisch neues Licht in eine bisher wenig verstandene Zeit."

Dr. Margaret Barker, Ex-Präsidentin der Gesellschaft für Alttestamentarische Studien in Cambridge, fühlt sich von den Siegeln an das Buch der Apokalypse erinnert, in dem der Evangelist Johannes um 90 n. Chr. den Weltuntergang in Schreckensbildern von Tod, Krieg und Hunger beschreibt.

Andere Experten beurteilen den Fund vorsichtiger: Auch in der Antike diente Blei nur ganz ausnahmsweise als Schreibmaterial. Das Miniformat, urteilt etwa der Neutestamentler Larry Hurtado von der Universität Edinburgh, sei erst im 3. Jahrhundert n. Chr. in Mode gekommen.

Zweifel weckt auch die Entdeckungsgeschichte: Nach Elkington sei die bleischwere Lektüre zwischen 2005 und 2007 in zwei Nischen einer Felshöhle in einem militärischen Sperrgebiet im Norden Jordaniens durch eine Sturzflut freigelegt und von einem Beduinen nach Israel geschmuggelt worden. Nach Auskunft Hassan Saedas aber ist der Schmuggler sein Urgroßvater und der Schatz "schon seit 100 Jahren im Familienbesitz". Jetzt fordert Jordanien den Kulturschatz zurück. Israels Antiquitätenbehörde antwortet bisher wenig aufgeregt, die antiken Taschenbücher seien zuletzt vor ein paar Jahren als Relikt aus der Zeit des jüdischen Freiheitshelden Bar Kochba um 130 n. Chr. angeboten worden. Das Blei stamme wohl von einem antiken Sarg, der Inhalt sei eine "Mixtur verschiedener Perioden und Stile ohne jeden logischen Zusammenhang". Solche Fälschungen, sagen die Israelis, würden "auf den Antiquitätenmärkten im Mittleren Osten zu Tausenden angeboten", und nicht nur für Kleingeld: Bisher waren für die 70 Bücher mit ihren fünf bis 15 Bleiseiten jeweils 280 000 Euro im Gespräch.

Nach Vorstellung des angeblichen Jesus-Porträts am Sonntag in Amman erklärte der Besitzer die Bücher jedoch erst einmal für unverkäuflich.