Nicht nur in Japan wurden Kernkraftwerke in erdbebengefährdeten Regionen errichtet, sondern auch in den USA

Hamburg. Weltweit waren vor dem Erdbeben in Japan in 30 Staaten rund 210 Kernkraftwerke mit gut 440 Reaktorblöcken in Betrieb. Sie decken etwa 14 Prozent des globalen Strombedarfs ab. Dazu kommen weitere 250 Forschungsreaktoren in 56 Ländern der Erde. Ferner finden sich noch 180 Reaktoren auf Schiffen und U-Booten. 65 Kernkraftwerke sind im Bau.

Experten gehen davon aus, dass 20 Prozent aller Atomkraftwerke in erdbebengefährdeten Regionen stehen.

In Deutschland ist die Gefahr relativ gering. Zwar gibt es auch hierzulande mehrere Hundert Beben pro Jahr, aber sie sind normalerweise sehr schwach. Das liegt daran, dass Deutschland mitten auf der Eurasischen Kontinentalplatte liegt und nicht auf einer Spalte zwischen zwei tektonischen Platten. Allerdings hat es in der Vergangenheit schon stärkere Beben im Rheingraben gegeben, einer geologischen Sollbruchstelle. Das große Beben von Basel 1356 war ein vernichtendes Ereignis mit zahlreichen Toten und weitflächigen Zerstörungen, das bislang stärkste Beben auf der mitteleuropäischen Scholle. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich so etwas wiederholt. Die Schweizer Kernkraftwerke sind immerhin für Erdbeben bis zu einer Stärke von 7,0 auf der Richterskala gesichert.

Am 14. Februar dieses Jahres bebte im Südwesten Deutschlands die Erde mit einer Stärke von 4,4. Die Reaktoren Biblis, Philippsburg und Neckarwestheim liegen in oder an der deutschen Erdbebenzone. Ein Erdbeben der japanischen Stärke jedoch hat es hierzulande wohl niemals gegeben. Doch ebenso wie Japan mit seinen 55 Reaktoren bauen auch andere Staaten ihre Kernkraftwerke in erdbebengefährdeten Zonen. Zwei amerikanische Anlagen sitzen direkt am berüchtigten San-Andreas-Graben, einer Plattengrenze, von dem befürchtet wird, er könne eines Tages ein weiteres Mega-Beben auslösen und San Francisco vernichten.

Eines davon ist das Diablo Canyon-Kraftwerk. Es soll ein Beben in der Stärke von 7,5 aushalten können.

Ob dies im Ernstfall ausreicht, ist unsicher; ein Beben im vergangenen April im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet erreichte bereits den Wert 7,2. In der kalifornischen Metropole Los Angeles, 320 Kilometer entfernt, schwankten noch die Häuser. Aber auch an der Ostküste der USA gibt es eine Erdbebenregion: die Ramapo-Verwerfung in New York, New Jersey und Pennsylvania. Sie ist zwar nicht annähernd so gefährlich wie die San-Andreas-Verwerfung, aber ebenfalls aktiv. Dort liegt der alte Indian-Point-Atomreaktor. Es ist umstritten, wie gefährdet die ab 1956 gebaute Anlage ist.

Als hoch gefährdet und sehr unsicher gilt das armenische Atomkraftwerk Mezamor. 1989 mussten seine beiden Reaktoren sowjetischen Typs nach einem Erdbeben abgeschaltet werden. Dem Beben am 7. Dezember 1988 der Stärke 6,9 im nordarmenischen Spitak waren mindestens 25 000 Menschen zum Opfer gefallen.

In einem anderen Erdbebengebiet, in Bulgarien, soll das Kraftwerk Belene entstehen - ausgerechnet in einer Region, wo 1977 bei einem Erdbeben 120 Menschen starben. Experten rechnen dort mit Beben bis zu einer Stärke von 8,5. Derzeit ruht der Bau - es mangelt an westlichen Investoren.

Im Südosten der Türkei entsteht für 20 Milliarden Dollar ein Prestigeobjekt der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan: Akkuyu, das erste Atomkraftwerk des Landes. Die Türkei will mehrere Atomkraftwerke bauen, um energiepolitisch unabhängiger zu sein. Bereits 1990 hatten Geologen jedoch herausgefunden, dass nur 20 Kilometer entfernt von Akkuyu mit dem Ecemis-Graben eine seismisch äußerst aktive Zone verläuft.

1989 bebte die Erde 170 Kilometer von Akkuyu entfernt, und ein Jahr später, am 17. August 1999, kamen fast 20 000 Menschen bei einem Erdbeben der Stärke 7,8 in Izmit ums Leben, 44 000 wurden verletzt. Ursache war eine ruckartige Verschiebung der Anatolischen Platte, die zwischen der Eurasischen und der Arabischen Platte klemmt. Der SPD-Politiker und Umweltexperte Horst Kubatschka bezeichnete den Bau von Akkuyu, das einmal in vier Reaktorblöcken eine Gesamtleistung von 4800 Megawatt erzeugen soll, als "atomare Zeitbombe".