Ein 19-Jähriger hat bei der Aufnahmeprüfung für die angesehene Kyoto-Universität mit dem Handy in Online-Foren nach Lösungen gefragt.

Tokio. Es muss nicht immer eine Doktorarbeit sein. In Japan sorgt der Fall eines 19-Jährigen für Empörung, der bei der Aufnahmeprüfung für die Universität geschummelt haben soll. Er wurde festgenommen und räumte nach Polizeiangaben Fehlverhalten ein. Dem Jugendlichen - nach japanischem Recht noch minderjährig - wird vorgeworfen, bei der Aufnahmeprüfung für die angesehene Kyoto-Universität mit dem Handy in Online-Foren nach Lösungen gefragt zu haben. Seine Festnahme beherrschte am Freitag die großen Tageszeitungen und Fernsehnachrichten des so technikverliebten wie ehrpusseligen Landes.

Der Fall wirft auch die Frage auf, ob die Eliteuniversitäten - in der japanischen Gesellschaft das Sprungbrett für Spitzenjobs - auf die neuen Möglichkeiten des Schwindelns und Spickens vorbereitet sind, die das Internet bietet. "Das ist nicht bloß ein Fall von Schummelei", urteilte die Tageszeitung "Mainichi". "Die Wirkung der missbräuchlichen Nutzung des Internets, das augenblicklich Informationen verbreiten kann, ist immens."

Strafverfahren unwahrscheinlich

Die Polizei nahm den Jugendlichen am Donnerstag unter Betrugsverdacht fest. Im Fall einer Verurteilung stehen darauf bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe von 500.000 Yen (rund 4.400 Euro). Medienberichte lassen aber darauf schließen, dass es wohl nicht zu einer Anklage kommt : Er wäre der erste, dem in Japan ein Strafverfahren wegen Schummelns blüht. Der Fall sollte am morgigen Sonnabend an die Anklagebehörde weitergeleitet werden.

Der Besuch einer Spitzenuniversität gilt in Japan als Voraussetzung für einen guten Posten im öffentlichen Dienst sowie in der Privatwirtschaft. Die Aufnahmeprüfungen sind schwer; die Bewerber stehen unter enormem Druck, wenn sie sich darauf vorbereiten. Viele Schulabgänger, die von der Uni ihrer Wahl nicht angenommen werden, pauken ein Jahr lang hart für einen zweiten Anlauf - manche noch länger, bis es endlich klappt.

Der 19-Jährige soll sich in den Prüfungstagen der Kyoto-Universität am 25. und 26. Februar unter dem Aliasnamen "aicezuki" mit acht Anfragen an eine von Yahoo Japan betriebene Webseite gewandt und um Hilfe bei der Lösung mathematischer Gleichungen sowie bei der Übersetzung japanischer Texte ins Englische gebeten haben. 2Es ist ein ziemlich langer Text, entschuldigt die Mühe", schrieb er einmal höflich. Es trudelten mehrere Antworten ein. Die Sache flog auf, als jemand die Anfragen las und die Universität benachrichtigte.

Handy im Umschlag

Die Polizei vermutet, dass der junge Mann es auf ähnliche Weise vorher im Februar schon bei drei weiteren Spitzenuniversitäten - Doshisha, Waseda und Rikkyo - versucht hat. Deren Mitarbeiter fanden an den jeweiligen Prüfungstagen ähnliche Anfragen unter dem selben Aliasnamen im Internet.

So mancher fragt sich, ob die ehrwürdigen Hochschulen mit der modernen Technik Schritt halten. An der Kyoto-Universität müssen Prüflinge ihre Handys abschalten und in der Tasche verstauen. Doch es werden immer viele Bewerber gleichzeitig geprüft, und ein Text ist im Handumdrehen eingescannt. So ergreifen Universitäten jetzt eilends Maßnahmen: Prüfungsteilnehmer müssen ihre Handys nun ausschalten, in einen Umschlag stecken und auf den Tisch legen.