Fischtrawler überquerte führerlos Pazifik. Vorbote eines Müllbergs nach dem Tsunami

Vancouver. Er hat Stürmen, Wind und Wellen getrotzt - und war mehr als ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Japan ohne Kapitän und Mannschaft allein auf dem größten Ozean der Welt unterwegs. Jetzt ist ein seit dem Tsunami vom 11. März vergangenen Jahres vermisster Fischtrawler gesichtet worden - vor der kanadischen Küste auf der anderen Seite des Pazifiks. Das Geisterschiff mit Heimathafen Hokkaido wurde bei einer Routinekontrolle der kanadischen Luftwaffe 120 Meilen (gut 220 Kilometer) vor der Küste der Provinz British Columbia entdeckt, berichten die "Vancouver Sun" und der amerikanische Nachrichtensender CNN am Wochenende.

Es hat dabei eine Strecke von fast 8000 Kilometern zurückgelegt, ist also mit etwa einem Kilometer in der Stunde unterwegs gewesen. Das 45 Meter lange Fischfangschiff ist in einem erbärmlichen Zustand, aber schwimmfähig; es liegt sogar normal in der See, Wasser ist offenbar nicht eingedrungen. "Es treibt seit einem Jahr über den Pazifik, deshalb sieht es ziemlich mitgenommen aus", sagte Jeff Olsson vom Rettungszentrum der Stadt Victoria der "Vancouver Sun". Der japanische Besitzer wurde informiert. Noch sei nicht entschieden, ob der verrostete Fischkutter geborgen wird. "Aber das Geisterschiff ist praktisch wertlos. Keiner will mit ihm etwas zu tun haben, weil die Schlepperkosten viel zu hoch wären", sagte Olsson. Eine Gefahr für die Umwelt bestehe nicht, aber angesichts der Gefahr, dass der Kahn mit anderen Schiffen kollidieren könnte, wurde eine Seewarnung ausgerufen.

Der Trawler ist das größte Teil, das seit dem Tsunami nachweislich den Pazifik überquert hat. Er ist nur der Vorbote eines gewaltigen Trümmerfelds als Folge der Naturkatastrophe in Japan. Immer wieder finden kanadische Küstenschützer Müll aus dem Fernen Osten am Strand: Plastikflaschen mit japanischer Aufschrift, Reste von zerrissenen Fischernetzen, Holz mit japanischem Exportstempel. Einiges wurde angeschwemmt, das meiste treibt jedoch auf dem Meer.

Es ist ein riesiger Teppich aus Trümmerteilen vor der Westküste Nordamerikas, der so groß ist wie Deutschland und Dänemark zusammen. Kanadische und amerikanische Experten sprechen von 18 bis 25 Millionen Tonnen Schrott. Flugzeuge der Küstenwache sind deshalb ständig unterwegs, um die schwimmenden Müllmassen zu melden. Die Provinzregierung von British Columbia ist schon seit Längerem alarmiert: "Wir beobachten die Lage und bereiten uns auf den Tag X vor", sagte die Ministerin für öffentliche Sicherheit in der Provinz, Shirley Bond. Erst vor Kurzem fischte das russische Segelschulschiff "Pallada" in der Nähe der Midway-Inseln ein japanisches Fischerboot aus dem Wasser.

Doch wohin die Müllhalde treibt, kann niemand so richtig vorhersagen, wechselnde Winde und Meeresströmungen könnten ihr einen anderen Kurs geben. Forscher aus Hawaii hatten errechnet, dass die Trümmer des Erdbebens erst Anfang kommenden Jahres die Westküste Nordamerikas erreichen würden. Sie werden jetzt eines Besseren belehrt. Fest steht bisher, dass diese Hinterlassenschaft der Katastrophe sich wohl über eine Fläche von zehn Millionen Quadratkilometern verstreuen wird, ist sich der Meereskundler Claus Böning vom Helmholtz-Institut für Ozeanforschung in Kiel (Geomar) sicher. Nancy Wallace von der US-Meeresbehörde NOAA bestätigt, dass ein Riesenmüllteppich nicht auf einen Schlag anlanden werde.

Mit den Auswirkungen des schwersten Erdbebens in der Geschichte Japans, als ein Tsunami weite Teile der Nordostküste überflutete und fast 20 000 Menschen in den Tod riss, werden nicht nur Japan, sondern auch weiter entfernte Länder künftig zu kämpfen haben.