Erst Mäusedreck und Schaben im Betrieb, nun die Insolvenz. Die Zukunft der Großbäckerei ist ungewiss. 1100 Mitarbeiter bangen um ihre Jobs.

Neufahrn. „Hier kommt nur das Beste rein“, steht auf der Tüte, in die drei Faschingskrapfen wandern. „Bestes Getreide und ständige Qualitätskontrollen legen den Grundstein für besten Geschmack des gesamten Müller-Brot Sortiments“, heißt es dort weiter. „Die Kunden kamen sogar bis aus München angefahren, um bei uns einzukaufen“, erzählt die Verkäuferin im Back-Shop. Doch jetzt klingt die Werbebotschaft auf der Papiertüte wie Hohn. „Wir können nur noch hoffen“, sagt die Mitarbeiterin.

+++ Mäusekot und Speisereste: Müller-Brot seit langem im Visier +++
+++ Hygienemängel bei Müller-Brot +++

Es ist Freitagmittag im Industriegebiet von Neufahrn bei München, dem Firmensitz der wegen eines Hygieneskandals in Verruf geratenen Großbäckerei Müller-Brot. Vor wenigen Minuten hat ein Kleintransporter mit der Aufschrift „Kärcher“-Hochdruckreiniger das Gelände verlassen. Kurz darauf fährt in schneller Fahrt ein Konvoi voll besetzter Fahrzeugen mit Freisinger und Erlanger Kennzeichen auf den Hof: Die Task Force – 18 Spezialisten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und Kontrolleure des Freisinger Landratsamtes und der Regierung von Oberbayern.

Sie sollen bis zum Abend darüber entscheiden, ob Müller-Brot jetzt ein sauberer Betrieb ist und trotz der am Donnerstag angemeldeten Insolvenz die Produktion wieder aufnehmen darf. Am 30. Januar hatte er wegen Mäusedreck und Ungeziefer in Backzutaten schließen müssen.

Ein gutes Dutzend Mitarbeiter, die draußen in der Kälte ihre klammen Finger an Bechern mit Kaffee aus dem firmeneigenen Back-Shop wärmen oder hastig an ihren Zigaretten ziehen, macht ihrer Wut Luft. Auf die Gesellschafter, die „immer nur genommen haben, aber nie Geld in die Firma gesteckt haben“, wie einer sagt. Aber auch auf die Behörden, die den Betrieb einstellen ließen und ihrer Meinung nach nun ebenfalls Verantwortung dafür tragen, falls das Unternehmen in die Knie geht. „Ich habe das Brot auch meinen Kindern zum Essen gegeben. Glaubt da etwa jemand, ich hätte das getan, wenn es dreckig gewesen wäre?“ schimpft eine Frau. Ihren Namen will sie wie die anderen nicht nennen. Griechin ist sie und arbeitet seit 18 Jahren bei Müller-Brot. „Schauen Sie uns an: Viele von uns sind über 50. Wir kriegen doch nirgendwo mehr Arbeit.“

Die Umstehenden nicken beklommen. Klar, besonders sauber sei es nie gewesen, geben sie zu. „Aber die Großbäckerei soll mir einer zeigen, wo es keine Mäuse gibt.“ Sie sprechen Deutsch mit Akzent. Müller-Brot in Neufahrn hat zahlreiche Migranten unter seinen Beschäftigten, gerade auch solche mit geringer Qualifizierung, die Helfertätigkeiten ausüben.

Viele wohnen nur ein paar Meter entfernt in einem schmutzig-beigen Hochhaus. Die Hälfte oder sogar noch mehr der Mieter dort bekomme ihren Lohn von Müller-Brot. „Wenn wir ihn denn mal kriegen, am 33. oder 35. eines Monats, wenn Sie verstehen, was ich meine“, sagt eine Frau ironisch. Es war gängige Praxis, die Löhne erst mit vier- oder gar sechswöchiger Verspätung zu bezahlen. “Da können Sie dann Ihrem Vermieter oder der Telekom sagen: Tut mir leid, ich kriege mein Geld erst nächste Woche – vielleicht.“

Wie es weiter geht, das ist ihre größte Sorge. „Müller-Brot pleite. Was wird jetzt aus den 1100 Mitarbeitern?“ titelt eines der Boulevard-Blätter, die es vor dem Eingang in Selbstbedienungsständern zu kaufen gibt. Von der Insolvenz haben manche der Mitarbeiter so erst am Freitagmorgen auf dem Weg zur Arbeit erfahren. Ja, Arbeit gibt es hier immer noch. Die Müller-Brot-Bäckereien werden nun mit Ware aus anderen Unternehmen beliefert. Die muss sortiert und verteilt werden. Und natürlich war Putzen angesagt. Am Freitag bis zu letzten Minute. Die Lebensmittelkontrolleure haben ihren Besuch auf Wunsch der Betriebsleitung um einigen Stunden nach hinten verschoben.

Noch ein letzter Zug an der Zigarette, dann geht es hinein in eines der Büros auf dem Firmengelände, vorbei an einem Werbeschild mit Faschingskrapfen. „Auf zum närrischen Treiben“, steht darauf. Der vorläufige Insolvenzverwalter Hubert Ampferl aus Nürnberg will die Belegschaft über sein Vorgehen informieren. „Das Arbeitsamt freut sich schon“, sagt ein junger Türke grimmig. Wenigstens das ist sicher: Die Agentur für Arbeit wird das Insolvenzgeld auch rückwirkend bezahlen, also auch die noch ausstehenden Löhne für Januar.