Er war einer der größten Schauspieler aller Zeiten. Charlie Chaplin bleibt auch als Mensch ein Mythos. Wo wurde die Stummfilm-Legende geboren?

London. Als Schauspieler war der kleine Mann mit den großen Hosen ein Phänomen. Als Mensch ist er ein Mythos. Wer ist der Stummfilm-Star, der es in der Hochzeit des Nazi-Wahns wagte, mit seinem Film „Der große Diktator“ Adolf Hitler lächerlich zu machen? Über Chaplins politisch linke Grundhaltung, über seine Verflechtungen zu kommunistischen Gruppen gab es jahrzehntelang Spekulationen. Die Öffnung britischer Geheimdienstakten wirft seit Freitag neue Fragen auf: Niemand kann sicher sagen, wo Chaplin eigentlich geboren ist. Damit steht nicht weniger als die Identität des Ausnahme-Mimen infrage.

Bisher war angenommen worden, dass Chaplin am 16. April des Jahres 1889 im Süd-Londoner Stadtteil Walworth zur Welt kam. So hatte er selbst es auch immer dargestellt. Die Akten des britischen Geheimdienstes MI 5 zweifeln das aber an. In den Londoner Geburtsregistern sei in dem Zeitraum kein Kind dieses Namens eingetragen worden. Auch unter dem Namen Israel Thornstein - der Name, den die amerikanische Bundespolizei als Geburtsname Chaplins angenommen hatte - gibt es keinen Eintrag.

Spekulationen kamen auf, Chaplin sei eigentlich Franzose. Auch dafür fand der Geheimdienst keine erhärtenden Indizien. Die nächste These: Es handelt sich um einen Juden aus Russland. Ebenfalls keine Nachweise zu finden. Die Herkunft Chaplins blieb für den Geheimdienst unklar. Die britische Zeitung „The Guardian“ fand heraus, dass ein Verwandter dem Schauspieler, der als „The Tramp“ einen seiner größten Erfolge feierte, in den 1970er einen Brief schrieb. Darin wird Chaplin erläutert, er sei in einem Wohnwagen in der Nähe von Birmingham zur Welt gekommen.

Der Secret Service war 1952 auf Bitten des FBI tätig geworden. Chaplin war in der sogenannten Mc-Carthy-Ära der Kommunistenhatz in den USA nicht gut gelitten - wegen „unamerikanischer Aktivitäten“. Als „einen von Hollywoods Salon-Bolschewiken“, bezeichneten ihn die amerikanischen Behörden. Man suchte Gründe, ihn nicht mehr ins Land lassen zu müssen. „Sie wollten wissen, ob er in der kommunistischen Partei ist und ob er jemals in der (Sowjet-Parteizeitung) 'Prawda' erwähnt wurde“, sagte Edward Hampshire vom britischen Nationalarchiv der BBC.

Die Briten suchten akribisch und beobachteten Chaplin während seiner Aufenthalte in seiner vermeintlichen Heimatstadt London genau, hörten den Schauspieler sogar ab. Anzeichen für Extremismus fanden sie aber nicht. Chaplins politische Ansichten seien zwar irgendwo zwischen „progressiv“ und „radikal“ einzustufen, keineswegs aber gefährlich, steht in der Geheimdienst-Akte mit der Nummer PF 710549. Dennoch: Nachdem er eine Film-Premiere in London besucht hatte, ließen ihn die Amerikaner nicht mehr ins Land. Chaplin lebte anschließend bis zu seinem Tod 1977 in der Schweiz und behielt zeitlebens die britische Staatsbürgerschaft. 1999 setzte ihn das amerikanische Filminstitut auf Platz zehn in der Liste der größten Schauspieler aller Zeiten.