Monatelang hatte der Angeklagte geleugnet. Jetzt gibt er zu, das Mädchen mit einem Stein geschlagen und dann in einen Gully geworfen zu haben.

Wuppertal. Überraschendes Geständnis zum Prozessauftakt: Nach monatelangem Leugnen hat der 15-jährige mutmaßliche Peiniger der neunjährigen Kassandra aus Velbert am Mittwoch seine brutale Tat zugegeben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 14. September 2009 das Mädchen mehrmals mit einem Stein ins Gesicht und die lebensgefährlich Verletzte in einen 1,50 Meter tiefen Gully geworfen zu haben. Darin wäre sie fast gestorben. Er ist vor dem Landgericht Wuppertal wegen Mordversuchs angeklagt. Mit seiner Aussage erspart der Angeklagte Kassandra die Zeugenaussage vor Gericht.

„Ich denke, er ist erleichtert darüber, dass er endlich gestanden hat“, sagte seine Anwältin Astrid Denecke am Mittwoch. Der Prozess vor der Jugendkammer findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Strafmaß, das der zur Tatzeit 14-jährige Junge zu erwarten hat, hängt laut Denecke nun auch von der Einschätzung der Gutachter ab, ob er als strafmündig angesehen werden kann. Im Fall einer Verurteilung muss der Schüler mit einer Jugendstrafe bis zu zehn Jahren rechnen.

Der Fall über das Martyrium der Neunjährigen hatte im Herbst bundesweit Entsetzen ausgelöst. Ein Spürhund entdeckte das wimmernde Mädchen nach rund siebenstündiger Suche lebensgefährlich verletzt und stark unterkühlt in einem mit einem Deckel Kanalschacht. Starker Regen überflutete den Gully, so dass Kassandra zu ertrinken drohte. Die Eltern hatten an jenem Montagabend gegen 21.00 Uhr die Polizei alarmiert, nachdem die damals Neunjährige nicht wie üblich gegen 18.00 Uhr von der Hausaufgabenbetreuung in Velbert-Neviges heimgekehrt war.

Laut Anklage wollte der Jugendliche, dass die Schülerin stirbt, damit seine brutale Stein-Attacke nicht aufgedeckt würde. Den Abwasserschacht soll der Junge, der seit Oktober in Untersuchungshaft sitzt, nicht nur mit dem Deckel verschlossen, sondern zusätzlich auch mit Ästen und Laub bedeckt haben. Die Staatsanwaltschaft stuft das Verbrechen als versuchten Mord zur Verdeckung einer Straftat ein.

Kassandra erlitt durch die Misshandlungen ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und zahlreiche innere Verletzungen. Sie wurde in ein künstliches Koma versetzt. Als sie nach Woche wieder bei Bewusstsein war, konnte sie sich nicht daran erinnern, was ihr angetan worden war.

Zum Prozessauftakt hatte Staatsanwalt Rüdiger Ihl erklärt, dass die Schuld des 15-Jährigen durch Indizien und Zeugenaussagen einwandfrei nachweisbar sei. Der verhaltensauffällige Förderschüler war drei Wochen nach der Tat festgenommen worden.

Die Ermittler hatten den Tatverdächtigen schon am Tag nach dem Auffinden des Mädchens erstmals vernommen. Am 22. September wurde er dann als Beschuldigter befragt: Zeugen hatten einen Jungen, dessen Beschreibung auf ihn zutraf, am Tatort beobachtet und ihn später mit einem Fahrrad flüchten sehen. Außerdem wurden Faserspuren seiner Kleidung an einem „Tatmittel“ sowie an der in Tatortnähe entdeckten Jacke Kassandras nachgewiesen.

Kennen soll der 15-Jährige Kassandra aus einem Jugendtreff, wo er wegen seines provokativen Verhaltens Hausverbot hatte. Völlig unklar ist bislang das Motiv der Tat; Spuren eines Sexualverbrechens wurden nicht festgestellt. Ein Urteil der Jugendkammer wird nicht vor Ende Juni erwartet.