Französische Firma verkaufte Tausende minderwertige Silikonkissen in Europa und den USA. Das Polster platzt doppelt so häufig wie das von anderen Herstellern. Was betroffene Frauen wissen müssen.

Hamburg/Paris. Tausende Frauen mit Brustimplantaten müssen zur Nachoperation, weil ein französischer Hersteller nicht zugelassenes Silikon benutzt hat. Bei einer Inspektion im PIP-Werk in La Seyne-sur-Mer in der Nähe des südfranzösischen Toulon ist in Implantaten anderes Silikon gefunden worden als angegeben. "Die waren überhaupt nicht regelkonform", sagte Jean-Claude Ghislain von der französischen Aufsichtsbehörde für Medizinprodukte (Afssaps). Die Firma PIP (Poly Implant Prothèse) habe für die Füllung ein nicht zugelassenes Silikon-Gel verwendet. Dieses greift möglicherweise die Hülle der Implantate an und verursacht so die Risse.

Ärzte waren auf das Problem aufmerksam geworden, weil ungewöhnlich viele Frauen mit PIP-Implantaten wegen gebrochener Silikonkissen nachoperiert werden mussten. Bei den Produkten kam es doppelt so häufig zu Rissen wie bei den Erzeugnissen anderer Hersteller. PIP hat seit 1992 mehr als 200 000 Brustimplantate verkauft. Angeblich ist das nicht zugelassene Silikon seit 2006 benutzt worden. Allein in Frankreich sind möglicherweise 30 000 Frauen betroffen. Wie viele Frauen es im Ausland sind, ist unklar. PIP exportierte 90 Prozent seiner Produktion. Der Marktanteil in Deutschland liegt bei rund fünf Prozent.

PIP ist inzwischen in Insolvenz gegangen und wurde geschlossen. Die Staatsanwaltschaft von Marseille ermittelt nun unter anderem wegen Irreführung über die Eigenschaften des Produkts, Fälschung und Gefährdung des Lebens anderer. Für diese Vergehen sind Haftstrafen von bis zu vier Jahren vorgesehen.

Welche Eigenschaften und welche Auswirkungen auf den Körper das von PIP benutzte und nicht zugelassene Silikongel hat, ist nicht absehbar. "Prinzipiell lässt sich aber sagen, dass ein erneuter operativer Eingriff auch eine psychische Belastung ist", sagt Dr. Klaus Müller, Chefarzt der Abteilung für Plastische Chirurgie in der Asklepios-Klinik Wandsbek in Hamburg. "Wenn die Implantate noch nicht gebrochen sind, ist der Eingriff ein relativ kleiner. Die alte Narbe wird geöffnet, das alte Implantat entfernt und ein neues implantiert. Sind die Implantate aber schon kaputt und die Hülle des verwendeten Silikons löst sich bereits auf, dann ist der Eingriff schwieriger und mit deutlich mehr Risiko behaftet." Aus den defekten Implantaten tritt zudem das Silikongel aus und in direkten Kontakt mit dem Körper. Das verursacht deutlich verstärkte Kapselbildungen. "Das wiederum führt zu Verformungen der Brust und zu Schmerzen. Im Extremfall kann das sogar zu sogenannten Silikonomen in der Brust führen", erklärt der Chirurg. Das heißt, dass sich sogenannte Silikonabsiedlungen in der Brust bilden. Das wäre der Fall, wenn es sich bei dem von PIP verwendeten Silikon tatsächlich um verunreinigtes Silikon handeln würde.

Bei älteren Implantaten mit dünnen Hüllen hat man häufiger das Problem, dass nach etwa zehn bis 15 Jahren die Hülle aufgebraucht und dann das freie Silikongel in Kontakt mit dem Körper gekommen ist. Daher kennt man die Folgen. Das weiß man bei dem Risiko-Silikon von PIP nicht. Über die Reaktionen des Körpers lässt sich nur spekulieren. "Bei Implantaten der älteren Generation, die ausgetauscht werden müssen, beobachten wir häufig, dass die Hülle noch vorhanden ist, sich aber schmierig anfühlt", sagt Müller. Das Silikongel ist allmählich durch die Hülle nach außen gedrungen. Im weiteren Prozess würde sich die Kapsel ganz auflösen - ein schleichender Vorgang. "Es gibt immer eine gewisse Rate an Patientinnen, bei denen wir ältere Implantate erneuern müssen. Eine Häufung in letzter Zeit haben wir aber nicht festgestellt", sagt er.

Frauen, die Implantate der Firma PIP in der Brust haben, rät er den Gang zum plastischen Chirurgen. Mit einer Kernspin-Untersuchung lässt sich ein Defekt im Implantat sicher nachweisen. "Und auch wenn keine Ruptur nachzuweisen ist, sollte die Frau das Implantat zeitnah auswechseln lassen." Wer die Kosten übernimmt, ist nach dem Konkurs fraglich. "Mittlerweile benutzen wir schnittfeste Silikone, wo nichts auslaufen kann. Da Silikon aber prinzipiell ein auslösendes Faktum für Kapsel-Problematiken ist, gehen wir teilweise zu Brustvergrößerungen mit Eigenfett über - eine sehr sichere Methode, die Brust zu vergrößern ohne das Einbringen von körperfremdem Material."