Der Täter hatte einen Waffenschein. Ein Kriminologe fürchtet einen Zusammenschluss der Rocker-Banden mit deutschen Neonazis.

Koblenz. Der tödliche Schuss eines Mitglieds der Hells Angels in Rheinland-Pfalz auf einen Polizisten hat die Diskussion um ein Verbot von Rockerbanden erneuert. Für ein Verbot hat sich Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ausgesprochen. Auch der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) lässt derzeit prüfen, ob ein derartiges Verfahren möglich ist. Sinnvoll wäre ein Verbot aber nur, wenn es länderübergreifend sei, sagte er.

Nach Abendblatt-Informationen haben die deutschen Innenminister darüber bereits bei ihrer letzten Konferenz im vergangenen Herbst in Bremen diskutiert. Es ist daher nur logisch, dass dieses Thema bei der nächsten Innenministerkonferenz (IMK) im Mai in Hamburg erneut auf der Agenda steht. Doch weder Länder noch Bund wollen darüber eine öffentliche Diskussion führen. Zu groß ist die Furcht, dass dadurch ein Verbotsverfahren scheitern könnte.

Am Mittwoch hatte ein Mitglied der Bonner Hells Angels in Anhausen ohne Warnung zweimal durch eine geschlossene Eingangstür gefeuert, als ein Spezialeinsatzkommando (SEK) in seine Wohnung eindringen wollte. Ein SEK-Beamter (42) wurde dabei getötet. Nach dem Ergebnis der Obduktion traf das Projektil seinen linken Oberarm und drang danach von der Seite in den Brustkorb ein. Dabei wurden Lunge und Herz durchschlagen. Der Rocker (43) sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft, äußerte sich aber nicht. Er war als Sportschütze legal im Besitz einer Pistole - der mutmaßlichen Tatwaffe.

Im Kampf gegen die Hells Angels ist Hamburg Vorreiter. Die Hansestadt ist bislang das einzige Bundesland, in dem die Rockerbande verboten ist. Das Verbot von 1983 war seinerzeit damit begründet worden, dass sich der Verein zum Ziel gesetzt hatte, durch Straftaten Geld einzunehmen. Die Palette reichte von Gewaltdelikten über Drogengeschäfte, den illegalen Waffenhandel bis hin zu Zuhälterei. "Das sogenannte ,Hamburger Charter' ist geschwächt. Die Hells Angels dürfen ihre Rituale nicht mehr offen ausleben", sagte Innenbehördensprecher Ralf Kunz dem Abendblatt. So gebe es keine öffentlichen Machtdemonstrationen durch Motorradkonvois mehr. Dennoch blieben die Rocker unter Beobachtung, "da die handelnden Personen durch ein Vereinsverbot natürlich nicht plötzlich verschwunden sind".

Ob dieses Modell auch bundesweit als Vorbild dienen könnte, dazu wollte sich das Bundesinnenministerium nicht äußern. Mit dem Verfahren einher geht auch das Abschöpfen der illegal erworbenen Vermögen. Und so fordert Polizeigewerkschafter Freiberg auch, dass bundesweit ermittelt werden müsste, "um nachweisen zu können, dass solche Organisationen bundesweit gesteuert werden". Immer wieder würden sich Hells Angels bemühen, ihre Straftaten als Handlungen von Einzeltätern darzustellen.

Gegen ein Verbot sprach sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Mainz aus. Man müsse damit rechnen, dass deren Mitglieder abtauchen oder neue Klubs gründen, befürchtet Landeschef Werner Kasel. Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, sagte, es habe in der Vergangenheit Treffen zwischen Neonazis und Rockern gegeben. Es bestehe die Gefahr, dass Rechtsextremisten die Rocker wie Söldner einsetzten. Durch das Bündnis könnten die Neonazis gefährlicher werden.

Auch der anhaltende Rockerkrieg in Norddeutschland steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verbots-Diskussion:

Die verfeindeten Motorradclubs „Hells Angels“ und „Bandidos“ bekämpfen sich seit mehreren Jahren brutal. Experten gehen davon aus, dass es bei der Fehde um das Abstecken von Revieren für Rauschgifthandel und illegale Prostitution geht.

Beide Rockergruppen gehen derzeit mit unglaublicher Brutalität aufeinander los.

Vor knapp einer Woche verübten Unbekannte einen Anschlag auf das Haus des Hells-Angels-Anführers in Kiel. Sie feuerten mehrere Schüsse auf das unscheinbare Einfamilienhaus ab. Die Kugeln durchschlugen Fenster im Obergeschoss und Glaseinlässe in der Hauseingangstür.

Ende Februar überfielen Bandidos einen 41-jährigen Hells Angel in der Flensburger Innenstadt, als er am Steuer seines Mercedes vor einem Imbiss wartete. Er wurde schwer verletzt, kam ins Krankenhaus. Vier Monate zuvor hatte die Polizei ebenfalls in Flensburg ein Waffenarsenal der Hells Angels in einer Autowerkstatt ausgehoben und Maschinenpistolen, Schrotflinten, Pumpguns, Revolver, Pistolen und Sprengstoff sichergestellt.