Deutschlands Schlagerstar Michael Wendler gewährt auf Sat.1 Einblicke in sein intimes Familienleben - und hätte es besser lassen sollen.

Hamburg/Berlin. 29 Singles und zwölf Alben – für Sat.1 reicht das offenbar, um Schlagerstar Michael Wendler mit einer eigenen Dokusoap zu huldigen. Sechs Folgen lang gewährt der selbst ernannte "König des Discofox" darin Einblicke in das intime Familienleben des "Wendler-Clans". Im Schnitt sahen 1,39 Millionen Zuschauer die erste Folge. Beim Gesamtpublikum (Zuschauer ab 3 Jahren) stehen sogar 2,34 Millionen Zuschauer zu Buche. Ein Möchtegern-Dallas am Niederrhein - Welt Online erklärt die Person Michael Wendler.

Quizfrage für Sat.1-Freunde: Was macht „der Wendler“, selbst ernannter König des Discofox, auf der Autofahrt zu seinem nächsten Auftritt, um seinen Adrenlinspiegel in die Höhe zu treiben?

a) Er dreht die Musikanlage bis zum Anschlag auf, um Stücke von „dem Wendler“ zu hören, „schön kräftig, viel Bass, richtig geil“?

b) Er guckt sich ein Video von seinem letzten Auftritt an: „Der Wendler“, wie er die Slips und BH’s seiner weiblichen Fans von der Bühne schaufelt?

c) Er poliert seine Goldenen Schallplatten?

Wenn Sie jetzt sagen: „Moment mal, ist dieses Eigenblutdoping überhaupt legitim, und überhaupt, was soll der Unsinn: a, b oder c?, die Antworten unterscheiden sich doch nur peripher“, dann haben Sie das Niveau dieser neuen Dokusoap von Sat.1 schon treffend erfasst. „Der Wendler“, wie sich der singende Speditionskaufmann Michael Skowronek selber nennt, hat ein Ego so aufgeblasen wie der Sat.1-Ballon. Er sagt tatsächlich solche Sätze wie, er brauche keinen Input, deshalb höre er nur seine eigene Musik.

Der Wendler und Sat.1, die beiden stehen sich offenbar sehr nahe. Wüsste man nicht, dass es ihn wirklich gäbe, könnte man auf die Idee kommen, er sei eine weiteres Produkt aus dem Frankensteinschen Forschungslabor des Senders, nach Johannes B. Kerner und Oliver Pocher. Dabei setzt Sat.1 große Hoffnungen in den Mann, der den Größenwahn zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Als „modernen Helden, der es mit eigener Kraft ganz nach oben geschafft hat“, so verkaufte ihn der Sender schon vor dem Start.

Tatsächlich ist Michael Wendler in seinem Paralleluniversum der Großraumdiskotheken und Skihütten so etwas wie ein Großwesir. Er schließt die Lücke, die entstand, als mit Rex Gildo 1999 der deutsche Schlager zum Klofenster heraussprang.

Als einer der Ersten erkannte er, dass er sich in diesem vor dem Aussterben bedrohten Genre nur dann würde behaupten können, wenn es ihm gelänge, die Kurve zum Dancefloor zu kratzen. So nahm er die jüngeren Partyfreunde mit, ohne die älteren zu verprellen.

Doch ist der Wendler-Fanclub groß genug, dass es sich lohnt, dem Schlagerkönig ein Denkmal in Form einer sechsteiligen Dokusoap zu setzen? Sat.1 war sich da offenbar selber nicht so sicher. So genannte Celebrity-Soaps sind hierzulande schon mit echten Adeligen als Hauptdarsteller gefloppt. Man erinnere sich nur an die RTL-II-Tragödie des auf Freiersfüßen wandelnden Hohenzollern-Prinzen Ferfried, genannt „Foffi“.

Bilder von kreischenden Wendler-Groupies in den Wechseljahren und Einblicke in die Fertighaus-Villa in Dinslaken mit Marmorböden und vergoldeten Türklinken waren jetzt sogar Sat.1 als Gerüst zu wackelig. Deshalb versuchte der Sender, die Dokusoap zur Seifenoper à la „Denver“ und „Dallas“ aufzupimpen.

Er hätte es besser gelassen. Einen hemmungslosen Kapitalismus zu propagieren, das konnte sich das Fernsehen nur in den 80er-Jahren leisten. Jetzt ist es selber Opfer der Krise geworden. Die Doku-Soap „Der Wendler-Clan“ ist dafür der traurige Beweis. „Der Wendler“ ist eben nicht J.R. – und seine Verwandtschaft nicht buckelig genug, um dieser getunten Version eines Auslaufmodells eine Existenzberechtigung zu verleihen. Seine Frau Claudia gibt sich zwar große Mühe, der naiven Lucy aus „Dallas“ nachzueifern, wenn sie völlig ironiefrei sagt, sie sei vor 20 Jahren vom Wendler wegen ihrer Haarfarbe und ihrer Frisur ausgesucht worden. „Aber das schmeichelt mir eigentlich.“

Aber dummerweise kauft man ihr solche Äußerungen ab. Die Emanzipation, sie ist spurlos an den Wendlers vorbeigegangen. „Es kann nur einen Käpt’n geben, der bin Gott sei dank ich“, sagt der Wendler, während er sich von seinem Chauffeur zum nächsten Auftritt kutschieren lässt.

Seine blondere Hälfte fügt sich derweil in ihr selbstgewähltes Schicksal als Puttchen Brammel am Herd. Sie vertreibt sich die Langeweile mit Putzorgien und Power-Shoppen – übrigens nicht in Boutiquen der Edellabels, sondern im gewöhnlichen Kaufhaus. Dinslaken ist eben nicht Dallas. Das wird einem spätestens dann bewusst, wenn der Clan zum Dinner einrückt. Zur Feier des Tages gibt es Pizza Calzone aus dem Pappkarton.

Weil der Alltag bei der Familie des Discofox-Königs noch öder ist, als es insgeheim schon befürchtet wurde, hat die Produktionsfirma ein Drehbuch verfasst. Ein gut gemeinter Versuch. Leider verstärkt er den Eindruck der absoluten Langeweile nur noch. „Meine Güte, nee, was für `ne Schweinerei“, ruft da die Wendler-Gattin erbost, als sich Kakao auf dem Tisch in der marmorgefliesten Ausstellungsküche ergießt.

Den Becher hatte die siebenjährige Tochter Adeline mit Absicht umgekippt – wohl mangels des sprichwörtlichen Sacks Reis, der in dramaturgischen Dürrezeiten wie diese gerne strapaziert wird. Dabei hätte man viel lieber erfahren, wie es „der Wendler“ geschafft hat, sich aus dem Schuldenloch zu hangeln, in das er vor Jahren gestürzt war – angeblich nur deshalb, weil er die Speditionsfirma seines Vaters übernahm. Damals musste er Privatinsolvenz anmelden.

Doch dieses Kapitel blendet die Dokusoap aus. Sat.1 wird wohl wissen, warum. Der Pleitegeier kreist auch so schon in breiten Schwüngen über dieser Möchtegern-Seifenoper. Man muss ihn nicht noch mit dem Schnabel auf die größte Schwachstelle stoßen.