Jetzt werden schon Fünfjährige in Salons zurechtgemacht. Nagellack, Wellness, “Kids-Programme“ für die Haut - und die Eltern zahlen. Psychologen sind entsetzt.

Berlin/Hamburg. Die fünfjährige Marie möchte Strähnchen. Auf ihren Fingernägeln glitzert es rosa, und auf den Lippen schimmert Gloss. "Mit Himbeergeschmack, lecker", sagt sie, während sie auf dem Motorrad-Friseurstuhl auf Verschönerung wartet. Auch Michelle ist mit ihren fünf Jahren bereits Stammkundin im stets gut gefüllten Salon eines Berliner Traditionskaufhauses. "Ich lege Wert darauf, dass sie gepflegt aussieht, weil sie ein Teil von mir ist", sagt ihre Mutter. Damit ist sie kein Einzelfall.

Nach der Modebranche haben nun auch Wellnesshotels und Schönheitssalons Kinder als Kunden entdeckt. Vom pinkfarbenen Prinzessinnen-Shampoo über die Hautpflegeserie bis zum Kinderduft: Das Angebot an speziell für den Nachwuchs kreierten Kosmetik-Produkten wächst stetig. Und Eltern kaufen. Nicht zuletzt weil amerikanische Promi-Mütter wie Gwyneth Paltrow, Katie Holmes oder Madonna dieses Bild geprägt haben. Ein gepflegtes, modisch gestyltes Äußeres - vor allem Mädchen kommen daran immer weniger vorbei. In den USA sind Augenbrauenzupfen und andere Korrekturen bei Kindern keine Seltenheit mehr. So weit ist der Schönheitswahn hierzulande aber noch nicht.

In Deutschland setzen Hotels vor allem auf sogenannte kindgerechte Verwöhnprogramme. Eine profitable Marktlücke, denn Eltern sparen selten am Nachwuchs. So bietet ein Hotel beispielsweise zwanzigminütige Heupackungen für 18 Euro, Gesichtsbehandlungen für Zwölf- bis 15-Jährige (45 Euro) und Aroma-Rückenmassagen (15 Minuten für 16 Euro) an. Ein anderes Hotel hat für jugendliche Haut speziell entwickelte "Kids"-Programme im Angebot.

Jessica Behrenswerth vom Verband Wellness-Hotels-Deutschland sagt: "Unsere Hotels bieten den Kindern eher Beschäftigungsmöglichkeiten und zum Beispiel auch Entschleunigungswanderungen an. Die Kinder lernen so, Stress abzubauen. Und nach einem aktiven Tag in der Natur ist ein Besuch im Schwimmbad oder im Spa-Bereich möglich."

Die Kinder lernen früh, wie man sich richtig pflegt, ernährt und bewegt. Doch oft sind es die Wünsche der Erwachsenen, die sie auf ihre Kinder projizieren. Damit laufen Kinder Gefahr, eine Mini-Erwachsenen-Version zu werden. Für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung kann das negative Folgen haben.

"Wenn eine Vierjährige wie Mama sein will und ihren Lippenstift oder Nagellack ausprobiert, ist das völlig normal", sagt der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Wolfgang Bergmann aus Hannover. Bedenklich wird es, wenn Wellness-Anwendungen zur Regel werden.

Psychotherapeutin Professor Ada Borkenhagen von der Universität Magdeburg sieht vor allem für Mädchen die Gefahr, schon früh Schönheitsidealen nachzueifern. "Im Gegensatz zu vor 20 Jahren werden heute schon sehr früh bestimmte Verhaltensmaßstäbe gesetzt. Die Kinder haben es schwerer, ihre eigene Identität zu entwickeln, denn ein Abweichen von der Norm macht Angst. Die Kindheit schrumpft wieder." Für die Psychologin gehen die Probleme der Schönheitsidealisierung noch weiter, denn den gleichen Mustern, die die Mädchen schon sehr früh kennenlernten, eiferten ja auch ihre Mütter nach. Die Folge: Der in der Pubertät notwendige Abgrenzungsprozess wird schwieriger. "Denn die ewig jungen Mütter sind ja immer schon da. Wenn die jetzige Müttergeneration älter wird und keinen Platz macht, kommt noch ein großes Problem auf uns zu."

Sprich: eine Gesellschaft, die zwischen fünf und 50 dasselbe Schönheitsideal hat und die gleiche Jeansmarke trägt.