Vollzugsbeamter wegen Verdachts auf Mithilfe festgenommen. Junge Frau von Köln nach Essen entführt.

Aachen. Ein Mörder und ein Geiselgangster sind aus dem Aachener Gefängnis geflohen - vermutlich mithilfe eines Vollzugsbeamten. Der Bedienstete sei am Freitag unter Verdacht der Gefangenenbefreiung festgenommen worden, sagte Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter. Die extrem gefährlichen Schwerverbrecher hatten am Donnerstagabend in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen fünf verschlossene Türen mit einem Schlüssel überwinden können. Gesucht werden Michael Heckhoff (50) und Peter Paul Michalski (46). Beide sind zu lebenslangen Haftstrafen und Sicherungsverwahrung verurteilt.

Die Suche nach den Ausbrechern gestaltet sich schwierig. Am Freitagnachmittag hatte die Polizei zunächst von "sehr konkreten" Hinweisen gesprochen, wonach die Flüchtigen in Rheinland-Pfalz gesehen worden sein sollen. Doch das war falscher Alarm.

Am Spätnachmittag tauchten die beiden Ausbrecher dann möglicherweise im Ruhrgebiet auf. Die Polizei in Essen gab bekannt, zwei Männer hätten eine junge Frau in Köln gezwungen, sie mit ihrem Auto nach Essen zu fahren. An einer Brücke im Ortsteil Kettwig sei der Wagen wegen Spritmangels liegen geblieben. Die Männer seien zu Fuß weiter geflüchtet; die Frau sei unverletzt geblieben und wieder frei. Ob es sich tatsächlich um die Ausbrecher gehandelt habe, könne noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, erklärte die Polizei.

Noch nicht im Detail bekannt war auch am Tag nach der Flucht, wie die beiden Männer entkommen konnten. Sicher ist: Heckhoff und Michalski hatten am Donnerstag gegen 20 Uhr an der Außenschleuse des Gefängnisses einen Beamten überwältigt, der gerade von einer Kontrollfahrt zurückkam. Sie fesselten den Mann mit Handschellen und knebelten ihn. Aus einem Tresor in der Pforte raubten die Verbrecher zwei Pistolen und je acht Schuss Munition.

Mit einem Taxi, das nach ersten Erkenntnissen zufällig vor der Anstalt hielt, entkamen die Männer. Gegen 20.20 Uhr schlugen zwei Justizvollzugsbeamte Alarm, als sie das Gefängnis nicht verlassen konnten, weil der Beamte in der Pforte nicht ansprechbar und verwirrt gewesen sei. Er wurde in eine Klinik gebracht. Die Gewalttäter fuhren mit dem Taxi nach Kerpen und stiegen mitsamt dem Fahrer in ein zweites Taxi um, das sie nach Köln brachte. Dort verlor sich auf dem Bahnhofsplatz zunächst ihre Spur. Für die Fahrt nach Köln hätten die Männer bezahlt und die Fahrer nicht bedroht, sagte Aachens Polizeipräsident Klaus Oelze. Warum der erste Fahrer freiwillig mit nach Köln gefahren sein soll, konnte Oelze nicht erklären.

"Das sind zwei hochgefährliche Männer, gewalttätig und bewaffnet. Bitte keine Heldentaten!", warnte Oelze die Bevölkerung. Peter Paul Michalski wurde nach Angaben des Justizministeriums in Düsseldorf 1988 festgenommen worden und sitzt seither ununterbrochen in Haft. Das Landgericht Bielefeld habe gegen ihn 1995 wegen Mordes eine lebenslange Haft verhängt sowie die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet.

Michael Heckhoff gehört zu den gefährlichsten Geiselgangstern Deutschlands. Der 50-Jährige sitzt seit Anfang der 1980er-Jahre mit kurzen Unterbrechungen im Gefängnis. Er war im Jahr 1992 an einer Geiselnahme im Gefängnis in Werl beteiligt. Dabei hatten er und ein Komplize mit einer täuschend echt gekneteten Pistolenattrappe aus Seife und Brot Geiseln in ihre Gewalt gebracht. Heckhoffs damaliger Komplize - ein Mehrfachmörder - übergoss einen Wärter und eine junge Arzthelferin mit Benzin und zündete sie vor dem Zugriff der Polizei an.

Heckhoff sitze seit gut einem Jahr in dem als besonders sicher geltenden Aachener Gefängnis, so das Justizministerium in Düsseldorf. Er sei wegen versuchten Mordes und besonderer Schwere der Schuld zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Das Landgericht Köln habe die Mindesthaftzeit für ihn unlängst auf 21 Jahre festgesetzt.

"Wenn Heckhoff sich angegriffen fühlt und eine Schusswaffe hat, dann wird er von dieser wahrscheinlich Gebrauch machen", sagte der frühere Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl, Klaus Koepsel. Der Verbrecher habe nicht eingesehen, dass er sein Leben hinter Gittern verbringen müsse.

"Angepasst war er, wenn er irgendwie Vorteile daraus schinden wollte." Im Umgang mit den Justizvollzugsbeamten sei er nicht aggressiv gewesen. Aber "draußen" werde er wahrscheinlich von der Schusswaffe Gebrauch machen, wenn ihn jemand angreife, sagte Koepsel. "Der hat nichts zu verlieren."