Die Männer ernährten sich von Regenwasser und fischten Kokosnüsse aus dem Meer. In ihrer Not aßen sie sogar Treibholz.

Sydney/Hamburg. Der Begriff "Wunder" wird heutzutage geradezu inflationär verwendet. Daher muss schon etwas sehr Außergewöhnliches, fast Unglaubliches geschehen, um der Bedeutung des Wortes gerecht zu werden. Das Schicksal einer Gruppe Schiffbrüchiger im Pazifik ist ein solches Wunder. Acht lange Wochen trieben die Mitglieder einer Großfamilie in einem sechs Meter langen und knapp zwei Meter breiten Boot, bis sie vor der Küste von Nauru, einer Insel Mikronesiens, aufgegriffen wurden. Jetzt wurden die Überlebenden in ein Krankenhaus in Majuro, der Hauptstadt der Marshallinseln, gebracht. Der amerikanische Trawler "Ocean Encounter" hatte die ausgemergelten und fast verhungerten Männer an Bord genommen, nachdem eine Helikopterbesatzung sie Tausende Kilometer von ihrer Heimat Papua-Neuguinea entfernt entdeckt hatte. Kapitän Ben Maughan: "Die Männer waren äußerst schwach." Der Schiffskoch habe versucht, den Geretteten weiche Nahrung einzuflößen, doch sie waren zu kraftlos. Zwei der sieben Schiffbrüchigen überlebten die Strapazen nicht und starben noch auf dem rettenden Fischerboot. Die fünf Überlebenden im Alter zwischen 17 und 29 Jahren sind nun in ärztlicher Behandlung und versuchen wieder zu Kräften zu kommen. Laut der behandelnden Ärztin Marie Paul machen sie gute Fortschritte: "Wenn man bedenkt, was sie in den letzten Wochen durchgemacht haben, geht es ihnen gut. Sie waren völlig dehydriert, sehr schwach und haben viel Gewicht verloren. Aber im Moment erholen sie sich gut." Doktor Peter Asua, der ebenfalls im Krankenhaus von Majuro arbeitet: "Sie waren nur noch Haut und Knochen, hatten keine Kraft mehr zu laufen. Einen Tag später und sie wären tot gewesen."

So nahm eine Irrfahrt ein glimpfliches Ende, die eigentlich ein Tagesausflug werden sollte. Bereits am 14. September waren ursprünglich acht Männer von der Insel Lihir aufgebrochen, um drei Schweine auf dem 50 Kilometer entfernten Eiland Tabar abzuholen. Normalerweise ist das eine Überfahrt von höchstens vier Stunden. Doch auf der nächtlichen Rücktour schlug das Wetter um, Nebel zog auf und das Benzin ging aus. Am nächsten Morgen waren die Männer so weit auf dem Ozean, dass sie kein Land mehr sehen konnten. Die Schweine warfen sie ins Meer und hofften, ein vorbeifahrendes Schiff würde sie retten. Doch zahlreiche Fischerboote ignorierten die Hilferufe, nach einigen Wochen waren die Schiffbrüchigen zu schwach, um auf sich aufmerksam zu machen. Denn ihre einzige Nahrung waren Treibholz und Kokosnüsse, die sie aus dem Pazifik fischten. Nick Sales (29), einer der Überlebenden, erinnert sich: "Wir haben das Holz in der Sonne getrocknet und gegessen. Wenn wir eine Kokosnuss hatten, haben wir sie aufgebrochen, den Saft getrunken und das Fruchtfleisch gegessen." Getrunken wurde gesammeltes Regenwasser. Zu dem unerträglichen Hunger kamen immer wieder Stürme, die das Boot fast zum Kentern brachten. Zwei Tage vor der Rettung kam so der 17 Jahre alte Michael Kolvir ums Leben. Der Sturm riss sein T-Shirt über Bord, als er hinterhersprang, ertrank er. Dr. Asua sagte: "Neben der Trauer überwiegt bei den Überlebenden die Freude über die Rettung. Es ist ein Wunder."