Alex W. erstach Marwa El-Sherbini aus purem Fremdenhass. Nun soll er auch für alle Folgeschäden seiner Tat aufkommen.

Dresden/Hamburg. Lebenslange Haft und die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld. Mit diesem Urteil endet der Prozess um den Mord an Marwa El-Sherbini (gest. 31). Der Angeklagte Alexander W. (29) wird in allen Punkten schuldig gesprochen. Und während er selbst keine Miene verzieht und den Blick stur auf den Boden richtet, versucht Richterin Birgit Wiegand die Geschehnisse und die Gründe für das Urteil in Worte zu fassen. Dabei entsteht ein präzises Bild, das gleichzeitig gelungene und misslungene Integration verdeutlicht.

Das Opfer, die junge Ägypterin Marwa El-Sherbini, war Apothekerin und lebte mit ihrem Mann, Elwy Ali Okaz (32), seit 2005 in Deutschland. Ihr heute drei Jahre alter Sohn wurde in Deutschland geboren. Die Familie fühlte sich wohl, es gab keine Probleme, vielmehr war Marwa im dritten Monat schwanger und freute sich auf den Nachwuchs.

Alex W. war das genaue Gegenteil. Seine Kindheit in Russland empfand er nach eigenen Aussagen als "scheiße". 2003 wanderte er mit Mutter und Schwester nach Deutschland aus, fand allerdings kaum Anschluss. Besonders seine ausländerfeindliche Haltung isolierte ihn. Richterin Wiegand erklärte: "Er hasste vor allem Muslime. In seinen Augen waren sie alle Islamisten." Alex W. sei der Meinung gewesen, Ausländer nähmen ihm den Arbeitsplatz weg. Dass er selbst anderer Herkunft war, habe er verdrängt.

Vor diesem Hintergrund kam es im Sommer 2008 zu dem Vorfall, der zu der Gerichtsverhandlung führte, bei der Marwa El-Sherbini am 1. Juli dieses Jahres erstochen wurde. Auf einem Spielplatz beschimpfte Alex W. die Ägypterin als "Islamistin" und "Terroristin". Es folgte eine Anzeige wegen Beleidigung, und sie sagte auch bei der Berufungsverhandlung im Juli gegen ihn aus. Als sie den Verhandlungssaal im Landgericht Dresden verlassen wollte, stach der Russlanddeutsche mit einem Küchenmesser zu. Er tötete die 31-Jährige und verletzte ihren Mann, der ihr helfen wollte, schwer. Das alles vor den Augen des kleinen Sohnes. Die Tat gestand Alex W. später ein, das Motiv Fremdenhass bestritt er allerdings. Doch das Landgericht Dresden war sich sicher, denn "Ausländerhass zog sich wie ein roter Faden durch den Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland". Wiegand sagte, Alex W. habe Marwa El-Sherbini aus Rache getötet. Eine Tat im Affekt schloss die Richterin aus. Die Verteidigung hatte auf Totschlag plädiert und den Angeklagten als vermindert schuldfähig bezeichnet, da ein russisches Gutachten ihm "undifferenzierte Schizophrenie" bescheinigte. Doch laut Wiegand sei Alex W. voll schuldfähig. Neben der Haftstrafe solle er zudem für "alle materiellen und immateriellen Schäden" aufkommen, die den Eltern, dem Witwer, dem Sohn und dem Bruder des Opfers durch die Tat entstanden seien. Wie Geld den Verlust von Marwa El-Sherbini und die Trauer sowie das Trauma ihres Sohnes aufwiegen soll, konnte die Richterin nicht beantworten.