Wie haben Prominente den Mauerfall am 9. November 1989 erlebt? Deutsche aus Ost und West erinnern sich an die Zeit vor 20 Jahren.

Hannover. Starbariton Thomas Quasthoff feierte in der Nacht des Mauerfalls seinen 30. Geburtstag, etwa 50 Freunde quetschten sich in seine kleine Wohnung in Hannover. Erst beim Aufräumen am nächsten Morgen schaltete er den Fernseher ein – und begriff, dass die Welt über Nacht eine andere geworden war. So wie dem Sänger ging ist es vielen anderen Deutschen auch. Wie hat der 9. November 1989 das Land verändert? Was ist besser geworden, was schlechter?

DER TV-MODERATOR - Günther Jauch (53) fuhr so schnell wie möglich aus dem verschlafenen München nach Berlin

"München schlief wie jeden anderen Abend auch", berichtet Jauch in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der Brandenburger SPD-Publikation "Perspektive 21". Jauch hatte tanzende Menschen auf den Straßen erwartet und stellte fest: "Die meisten hatten das Wunder gar nicht begriffen." Der heute 53-Jährige flog gleich am nächsten Morgen nach Berlin. "Ich bin in Berlin in der Nähe der Mauer aufgewachsen und erlebte jetzt mit die glücklichsten Tage meines Lebens." Dort ließ er sich im Freudentrubel treiben und pendelte ständig mit S- und U-Bahn zwischen Ost und West. Jauch, der mit seiner Familie heute in Potsdam lebt, schreibt: "In der Nacht des 9. November hatte ich mich praktisch von Bayern verabschiedet und wollte so schnell wie möglich in den Osten."

DIE BISCHÖFIN – Margot Käßmann (51), EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischöfin von Hannover, war am 9. November 1989 in Genf beim Ökumenischen Rat der Kirchen, um eine Weltversammlung für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung vorzubereiten.

„Als erstes ging mir durch den Kopf: Dass Gebete und Kerzen eine gewaltfreie Revolution möglich machen, das ist ein Wunder! An dem Prozess der friedlichen Revolution hatten die Kirchen in der DDR ganz großen Anteil. Ich finde das großartig, in einem Land ohne Mauern leben zu können. Freiheit ist für mich ein hohes Gut. Traurig ist, dass so viele in Ostdeutschland sagen, ihre Lage hätte sich seitdem verschlechtert. Und traurig ist auch, dass die Abwanderung aus Ostdeutschland anhält.“

DER MUSIKER – Thomas Quasthoff (49), aus Hildesheim stammender Star-Bariton, feierte am Tag des Mauerfalls mit viel mehr Gästen als erwartet und „mit Riesen-Remmidemmi“ seinen 30. Geburtstag in Hannover.

„Ich war von den Bildern vom Fall der Mauer sehr gerührt und bewegt. Die Grenze war für mich in Hildesheim, im Harzvorland, immer sehr nah. Ich habe dann leider auch sehr schnell die negativen Seiten nach dem 9. November 89 kennengelernt. Wir haben in vielen Bereichen sehr massiv erlebt, dass der Westen in einer Art und Weise den Osten okkupiert und ausgebeutet hat, die schon ganz schön hart war. Kurz nach der Wende hatte ich ein Konzert in Leipzig, wo ganz schnell ein West-Intendant für das dortige Rundfunk-Orchester gefunden worden war. Dieser Mensch sagte nach dem Konzert mit einem breiten Grinsen: „Jetzt zeigen wir den Leuten hier erst mal, wie man Rundfunk macht.“ Ich weiß noch, dass ich aufgestanden bin und gesagt habe: „Sie werden erlauben, dass ich aufs Zimmer gehe, sonst kotze ich auf den Tisch.“ Ich fand das einfach nur widerlich. Ich habe auch bei weitem nicht die Einstellung wie die meisten, keine Solidarbeiträge mehr leisten zu wollen. Ich glaube, die Menschen in der ehemaligen DDR haben lange genug gelitten. Und sie haben auch nach der Wende ganz schön gelitten, weil sie von heute auf morgen in eine völlig neue rein konsumorientierte Welt gestürzt worden sind.“

DER POLITIKER – Christian Wulff (50), Niedersachsens Ministerpräsident, saß in der Nacht, als die Mauer fiel, „überglücklich“ daheim vor dem Fernseher in Osnabrück.

„Ich war überwältigt, solche Bilder zu sehen: DDR Bürger ohne Ausweispapiere, ohne Gepäck, ohne Auflagen und ohne Gängeleien, die Grenze passierend. Ich habe nie verstanden, warum allein das Wort Wiedervereinigung damals für viele ein Reizwort darstellte. Der Mauerfall ist ein großes Glück – insbesondere für Niedersachsen. Der längste Teil der innerdeutschen Grenze betraf unser Bundesland. Hier hatte jeder die Grenze vor Augen: Als menschenverachtende, unnatürliche Trennlinie mit Todesstreifen und Selbstschussanlagen. Niedersachsen liegt nach Fall des eisernen Vorhangs mitten in Europa und entwickelt sich wirtschaftlich positiv unter anderem zur Logistikdrehscheibe. Heute müssen wir aufpassen, dass wir nicht sozialistischer Nostalgie aufsitzen und vieles vergessen: Die vielen Mauertoten, die Zersetzungsmethoden der Staatssicherheit, die Bespitzelungen in intimste Lebensbereiche. Die DDR war ein totalitärer Unrechtsstaat, der seine Bürger einsperrte. Das darf nicht vergessen werden, dafür kämpfe ich: Aufklärung geht vor Verklärung.“

DER SCHAUSPIELER - Matthias Schweighöfer (28) hat der Fall der Mauer vor 20 Jahren gar nicht gepasst.

„Mich hat es tierisch genervt, dass die Mauer gefallen ist, weil ich mich so gefreut hab auf dieses Halstuch“, erinnert sich Schweighöfer an seine Kindheit in Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. „Kurz danach wäre ich Thälmannpionier geworden. Dann hätte ich das rote Halstuch bekommen“, sagte der Schauspieler, der damals acht Jahre alt war. Während eines Ausflugs nach Berlin sei er dann aber doch neugierig zum Hertie-Kaufhaus am Kurfürstendamm gefahren und habe sich West-Süßigkeiten gekauft. Heute ist der aus Filmen wie „Soloalbum“ oder „Keinohrhasen“ bekannte Kinostar stolz, ein Ossi zu sein: „Ja, weil ich ein Teil der ostdeutschen Geschichte bin und später meiner Tochter erzählen kann, wie es wirklich war.“ (dpa/AP/abendblatt.de)