Die jüngsten Designer treffen sich im Internet. Nachwuchs-Stylisten präsentieren ihre Outfits, diskutieren die neuesten Stilrichtungen und revolutionieren so ganz nebenbei die Modebranche.

Chicago/Hamburg. Blaues Top zum roten Rock; die Hände in die Hüften gestemmt, auf der Stupsnase eine riesige Sonnebrille; eine Frisur, auf die "Vogue"-Chefin Anna Wintour (59) stolz wäre. Die kleinen Füße stecken in zu großen Pumps. Die Kleine wirkt, als hätte sie gerade Mamas Kleiderschrank geplündert. Doch weit gefehlt, die 13-Jährige ist eine Stilikone mit einem sehr erfolgreichen Modeblog. Vier Millionen Leser, neudeutsch User, lesen auf "Rookie Style", was Tavi Gevinson trägt, empfiehlt und kauft. Die Chicagoerin ist die Newcomerin der US-Modeszene. Designer laden sie zu ihren Schauen ein, und ihr Foto zierte bereits die Titelseiten der Magazine "Pop" und "Love".

Ein Paradebeispiel dafür, wie Modeblogs die Fashionszene aufmischen. Junge Menschen brauchen kein teures "Vogue"-Abo, um sich über Trends zu informieren. Sie werden von Bloggern darüber aufgeklärt, was echte Menschen im wahren Leben tragen. Laienfotos in Internet-Tagebüchern statt hochstilisierte Modestrecken mit superdünnen Topmodels.

In Deutschland gehört "Les Mads" zu den erfolgreichsten Modeblogs. 350 000 Unique Visits konnte das Forum allein im vergangenen Monat verbuchen. Die Autorinnen Julia Knolle (27), Jessica Weiß und ihre Schwester Natalie (21) alias "Schnati" informieren täglich über Mode, Models, Trends und Lifestyle. "Vor einem Jahr haben wir auch über Tavi Gevinson berichtet", sagt Jessica Weiß.

Als sie im Frühjahr 2007 anfingen, gab es nur wenige Modeblogs: "Satorialist", "Facehunter", "Stylebubble" und hierzulande "pudri" und "f&art". In den ersten Tagen lasen nur ihre Mütter und Freundinnen den Blog, nach einem Monat schon 60 Leser am Tag. Mit dem Besuch der ersten Berlin Fashion Week im Juli 2007 waren es 240. "Und täglich werden es mehr", sagt Weiß.

In den Foren diskutieren Modebegeisterte, was sie auf den Straßen dieser Welt tragen. Schnati stellt ihr Tagesoutfit vor: schlichter Doppelreiher, "perfekt für den Übergang geeignet". Zu dieser "wahren Rarität" trägt sie ein Stirnband und ein auf den Bildern nicht sichtbares Wollkleid. Der Kommentar von Userin Su-zanna klingt ein wenig ironisch "Oooh, ein grauer Wollmantel - wie aufregend!" Damit löst sie eine heiße Debatte aus. "Ich mag den Mantel ... Ich finde, es muss nicht immer nur alles knallen durch Farbe oder Schnitt. Das Stirnband liegt bei uns zu Hause in Pink rum. Ist schon etwas älter ... Aber ich bleib bei Mützen!", kommentiert Nenn. Mode spaltet die Gemüter. Tragbar muss sie sein und gut aussehen. Auf den Stil kommt es an, auf die Art und Weise, wie man etwas kombiniert. Ein Stirnband wertet einen schlichten Mantel auf.

Modeblogs sind Indikatoren dafür, was bei den Leuten ankommt - fernab vom Couture-Zirkus in Paris, New York oder Mailand, der ohnehin nur einem elitären Kreis offensteht. Modeblogs erreichen jeden. Ein Karl Lagerfeld (71) oder eine Anna Wintour bestimmen nicht mehr allein, was in ist und getragen wird. Das Internet bricht diese Meinungsfront auf.

Der Erfinder der Street-Style-Blogs und gefeierter Star der Bloggerszene ist der New Yorker Scott Schuman. Seine Seite "The Sartorialist" hat täglich mehr als 23 000 Besucher. Damit wurde er vom US-Nachrichtenmagazin "Time" unter die Top 100 der stilprägendsten Menschen weltweit gewählt - auch eine Art, Karriere zu machen.

Zudem sind Blogger schneller. Die Fotos von Modenschauen stehen sofort im Netz, können umgehend kommentiert und bewertet werden. Mit diesem Tempo können Hochglanzmagazine nicht mithalten. Das haben auch Verlage erkannt. Drei Wochen nach der Gründung von "Les Mads" trat der Burda Verlag an die Bloggerinnen heran, um sie zur Zusammenarbeit zu gewinnen. Auch Tavi Gevinson hat den Jugendwahn in der Modebranche verstärkt. Ein Mädchen, das in die achte Klasse geht, prägt den Trend für erwachsene Frauen.