Der 18-Jährige handelte aus Hass auf die Menschheit. Er hatte seine Pläne in einem 80-Seiten-Brief an eine fiktive Freundin geschildert.

Ansbach. Hass auf die Menschheit und die Institution Schule sind die Hauptmotive für den Amoklauf am Carolinum-Gymnasium von Ansbach (Mittelfranken) gewesen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das auf dem Laptop des 18-jährigen Amokläufers Georg R. gefunden wurde. Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger: "Sein Ziel war, möglichst viele Schüler und Lehrer zu töten und das Gebäude niederzubrennen." Der Täter hat auch den Wunsch geäußert, bei seinem Amoklauf zu sterben. "Er wollte nicht mehr leben." All seine Gedanken, Gefühle und auch Pläne für den Anschlag hatte der Jugendliche seit April in Briefen an eine vermutlich fiktive Freundin festgehalten. Die Oberstaatsanwältin: "Er hat diese Person mit einem Namen angesprochen." Wie er das Mädchen nannte, wollten die Ermittler jedoch nicht verraten. Georg R. schrieb, dass er sich ungerecht behandelt und ausgegrenzt fühlte. Er habe einen Vorfall aus der sechsten Klasse erwähnt. Damals sei er in einem Bus verprügelt worden, ohne dass ihm jemand geholfen habe. Zudem habe er - die laut Staatsanwaltschaft unbegründete - Angst gehabt, schwer krank zu sein und das Abitur nicht zu schaffen.

Die Dateien mit den Schriftstücken waren auf dem Laptop des Täters zwar gelöscht, Spezialisten konnten sie aber wiederherstellen. Mit den Briefen an die fiktive Freundin hatte der Junge im April begonnen und einen Tag vor der Bluttat aufgehört. Bis dahin seien rund 80 DIN-A4-Seiten zustande gekommen. Der 18-Jährige habe darin auch seinen Wunsch nach einer festen Freundin ausgedrückt. Seine Eltern habe er von jeder Verantwortung für sein Handeln freigesprochen.

Staatsanwalt Jürgen Krach erklärte, der Täter hatte sich für die Tat extra ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Made in School" besorgt - damit wollte er offenbar zum Ausdruck bringen, dass die Schule die Verantwortung für sein Handeln trage. In seinen Schriften habe Georg R. die für seinen späteren Angriff gewählte Bewaffnung detailliert aufgeführt. Im Juni habe er sich dann auf die Kleidung und den Tattag festgelegt sowie die dritte Etage als Schauplatz seines Amoklaufs bestimmt. "Entscheidend für ihn war, dass dort besonders viele Klassenzimmer waren", sagte Krach. Der Täter habe seinen Plan beschrieben, Brandsätze in die Klassenzimmer zu werfen und anschließend die fliehenden Schüler weiter anzugreifen.

Die Ermittler hatten in der Wohnung des Jungen auch ein zweiseitiges handgeschriebenes Testament gefunden, das auf den Jahrestag des Terroranschlags von New York, 9/11, datiert war, sowie den Vermerk "Apocalypse today" auf dem Kalenderblatt vom 17. September, dem Tag des Amoklaufs. Der Gymnasiast hatte vergangenen Donnerstag mit fünf Molotowcocktails, vier Messern, einem Hammer und einer Axt einen Anschlag auf seine Schule verübt. Dabei wurden neun Schüler und eine Lehrerin verletzt, zwei fünfzehnjährige Mädchen lebensgefährlich. Beide sind auf dem Weg der Besserung.

Der Amokläufer wachte gestern aus dem künstlichen Koma auf. Ein Polizist hatte ihn mit drei Schüssen in den Bauch, die Brust und den Arm außer Gefecht gesetzt. Der Haftbefehl wegen zehnfachen versuchten Mordes sei ihm noch nicht eröffnet worden, weil er noch nicht "ausreichend orientiert" sei, sagte Lehnberger. Die Ansbacher Schüler und Lehrer bekommen jetzt Hilfe aus Baden-Württemberg. Psychologen, die nach dem Amoklauf in Winnenden im Einsatz waren, werden für die Betreuung zur Verfügung stehen.