Jamie Neale (19) ernährte sich von Gras, Pflanzen und Samen. Vor dem Nachtfrost schützte ihn nur eine Jacke.

Katoomba. Es ist fast ein bisschen so wie in dem amerikanischen Kinofilm "Into the Wild": Ein Mann zieht auf eigene Faust los, um allein die Wildnis Alaskas zu erkunden. Nur dass die Geschichte des britischen Rucksacktouristen, der in Australien unterwegs war, ein glückliches Ende fand.

Jamie Neale, ein 19 Jahre alter Teenager aus dem Londoner Vorort Muswell Hill, hatte eigentlich vor, die Welt zu bereisen. Nach einem Zwischenstopp in Australien standen die Länder Laos, Vietnam und Nepal auf seinem Plan. Doch so weit sollte der Brite gar nicht erst kommen.

Am 3. Juli entschied Neale, eine Wandertour in den australischen Busch, das sogenannte Outback, zu machen. Er verließ sein Hostel in der Stadt Katoomba (Bundesstaat New South Wales) westlich von Sydney und machte sich auf den Weg in die Blue Mountains - ohne Papiere und Telefon. Und außerdem hatte der anscheinend noch unerfahrene Backpacker seine Route nicht genau genug studiert, denn er konnte den Weg zurück nicht mehr finden und verlor im Outback die Orientierung.

Zwölf Tage später wurde der Teenager von zwei Wanderern in der Nähe des "Narrow Neck"-Pfades gefunden. Zu dem Zeitpunkt befand sich der Brite nur ungefährt 14 Kilometer von seinem Ausgangspunkt entfernt. Da sich diese Region etwa 1000 Meter über dem Meer befindet, waren die Temperaturen nachts bereits deutlich gesunken, sodass es den ersten Frost gab. Dem jungen Mann war mittlerweile ein Bart gewachsen, er wirkte erschöpft, war dehydriert und machte einen verwirrten Eindruck. Nachdem Jamie ins örtliche Krankenhaus von Katoomba gebracht wurde, berichtete er, dass er sich die meiste Zeit von Gras, Pflanzen und Samen ernährt hatte. Wenn er schlafen wollte, habe er sich mit seiner Jacke zugedeckt.

Hubschrauber und Spürhunde hatten in den vergangenen Tagen vergeblich nach Neale gesucht. Ein Polizeisprecher bezeichnete es als "fast ein Wunder", dass der Junge in dem schwer zugänglichen Gebiet überhaupt wiedergefunden wurde.

Die Eltern des Verschollenen konnten zuerst nicht fassen, dass ihr Kind überlebt hatte. Richard Cass, der direkt nach dem Verschwinden seines Sohnes nach Australien geflogen war, sagte, er habe die Suche schon aufgegeben und in dem Naturpark eine Kerze für ihn entzündet, um sich von ihm zu verabschieden. Cass ging davon aus, dass der 19-Jährige von einer Klippe gefallen war. "Doch jetzt ist er von den Toten wiederauferstanden", erklärte er überglücklich.

Nach der ersten Erleichterung äußerte sich der Vater des Backpackers aber auch empört über die Verantwortungslosigkeit des Sohnes: "Er dürfte wohl der einzige Wanderer auf der ganzen Welt sein, der weder Papiere, noch Telefon mit auf seinen Trip genommen hat. Ich werde ihm in den Hintern treten, für diese Suche wurden Millionen ausgegeben. Aber ich kann nicht sagen, dass ich ihn umbringen würde, das würde die frohe Nachricht seiner Rückkehr irgendwie verderben", sagte der Vater mit britischem Humor. Seine geplante Weiterreise nach Südostasien und Russland könne der Sohn "jetzt vergessen". "Er hat seiner Mutter schon genug Kummer gemacht."