In Mexiko-Stadt herrscht Ausnahmezustand. Panik hat sich unter den Menschen breit gemacht. Die Politik ist überfordert. Die Verbreitung eines neuen Erregers der Schweinegrippe, die bisher über 60 Menschen in der Metropole das Leben gekostet hat, sorgt für Angst. Die Atemschutzmasken sind schon lange ausverkauft.

Mexiko-Stadt. In Mexiko-Stadt herrscht Ausnahmezustand: ganze ausverkaufte Fußballstadien bleiben leer, die Schulen und Museen geschlossen. Die Metropole Mexiko-Stadt wurde durch die Angst vor einer massenhaften Verbreitung eines neuen Erregers der Schweinegrippe lahmgelegt.

Wissenschaftler haben seit Jahren vor der Möglichkeit einer globalen Ausbreitung eines neuen Erregers gewarnt, der genetisches Material von Mensch und Tier vermischt. Das menschliche Immunsystem scheint gegen einen solchen Erreger machtlos, eine Pandemie könnte verheerende Folgen haben.

Die Politik scheint von der Geschwindigkeit, mit der sich das Virus verbreitet, überfordert. "Wir tun alles, was notwendig ist", beruhigte Präsident Felipe CalderOn. Doch Experten warnen, dass sich das Virus mit über 1.000 Erkrankten und bislang 68 Todesfällen schon im ganzen Land ausgebreitet habe. "Wir sind sehr, sehr besorgt", erklärte WHO-Sprecher Thomas Abraham. Falls eine internationale Verbreitung bestätigt werde, würde dies die WHO-Kriterien für einen Pandemie-Alarm erfüllen. Die US-Gesundheitsbehörde CDC erklärte, es könnte Monate dauern, bis ein eventuell nötiger Impfstoff produziert sei.

Gesichtsmasken sind nun Mangelware in der Smog-geplagten mexikanischen Hauptstadt. Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden gaben in U-Bahnen und am Flughafen Masken aus und versuchten, möglicherweise infizierte Menschen zu erkennen. Nicht alle Pendler in Mexiko-Stadt erwischten eine Maske. Viele hielten sich einen Schal oder sogar den Pullover vors Gesicht. An einer Apotheke stand in großen Lettern geschrieben: "Wir haben keine Masken mehr." Die 150 Stück, die auf Vorrat lagen, waren bereits ausverkauft.

Adrian Anda wartete am Freitag ungeduldig auf die Untersuchungsergebnisse seiner 15-jährigen Tochter, die seit einer Woche von Husten und Fieber geplagt wurde. "Wenn sie sagen, dass es die neue Krankheit ist, werden wir leiden. Aber bis dahin wollen wir nicht darüber nachdenken." Die Regierung schlug am Freitag Alarm: Die Bürger sollten am Wochenende zu Hause bleiben, keine Hände schütteln und sich nicht zur Begrüßung auf die Wange küssen; öffentliche Einrichtungen wurden geschlossen. Die ausverkauften Fußballspiele, die zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen der Mexikaner gehören, müssen am Wochenende in menschenleeren Stadien gespielt werden.

Nun geht die Angst um. Die 55 Jahre alte Kellnerin Cristina Ceron rief sofort nach der Arbeit ihre Tochter an: "Bitte, halte Deinen Mund bedeckt. Und kaufe kein Essen auf der Straße", sagte Ceron ihrer Tochter am Telefon durch eine weiße Maske.

Wissenschaftler sind beunruhigt, weil sich das Virus bereits im ganzen Land und bis in den Süden der USA ausgebreitet hat. Zudem sind nicht wie bei einer normalen Grippe in erster Linie schwache und ältere Menschen betroffen, sondern junge und gesunde Menschen. Die bislang schlimmste Grippe-Pandemie 1918 bis 1919 befiel zuerst auch junge und kräftige Menschen. Damals kamen Schätzungen zufolge weltweit 40 Millionen Menschen ums Leben. Die WHO wollte am Wochenende ein Expertengremium versammeln, um über eine formelle Warnung vor einer Pandemie oder über Reisewarnungen zu entscheiden.

Die Symptome der neuartigen Krankheit ähneln der einer gewöhnlichen Grippe - Fieber, Husten und Halsweh. Einige der in den USA infizierten Menschen, wo es bis Samstag noch keinen Todesfall gab, klagten jedoch auch über Spuckreiz und Durchfall. Der Erreger weist genetische Merkmale des Schweins, von Vögeln und auch des Menschen auf - in einer Art, wie es die Forscher bislang noch nicht beobachtet haben. Einen Impfstoff gibt es nicht, die US-Behörde CDC geht jedoch nach ersten Tests davon aus, dass die Grippemedikamente Tamiflu und Relenza bei frühzeitiger Einnahme helfen könnten.

Tamiflu-Hersteller Roche erklärte, es könnten binnen kürzester Zeit große Mengen nachgeliefert werden. Gesundheitsminister Jose Angel Cordova erklärte, es sei genug Tamiflu für eine Million Menschen vorhanden - ein Zwanzigstel der Bevölkerung der Hauptstadt.