Verblüffende Ähnlichkeit: Leonor, Tochter von Kronprinz Felipe, sieht aus wie eine Doppelgängerin von Infantin Margarita aus dem 17. Jahrhundert.

Madrid/Hamburg. Das blonde Haar fällt von der Tolle leicht lockig zu den Schultern, die blauen Augen unter den langen Wimpern blicken ungewöhnlich selbstsicher in die Welt der Fünfjährigen. Die hohe Stirn, die runden Wangen, das gerade Näschen und das energische Kinn zeigen den Zauber einer ungewöhnlichen Familienähnlichkeit über den Abgrund von 350 Jahren: Ein gutherziges Gen scheint zarte, zeitlose Schönheit an die Stelle jener wenig attraktiven Merkmale zu setzen, die bisher als typisch für die Physiognomie der Habsburger galten.

Im Vergleich von Gemälde und Foto wirkt die Infantin Margarita Teresa (1651-1673) aus der spanischen Linie des erfolgreichsten Herrschergeschlechts aller Zeiten, von Maler Diego Velazquez 1656 im Kreis ihrer Hoffräulein porträtiert, wie in der kleinen Bourbonen-Prinzessin Leonor, Tochter von Spaniens Thronfolger Felipe (40) und Prinzessin Letizia (36), wiedergeboren.

Die Bourbonen hatten die Habsburger 1712 auf dem spanischen Thron abgelöst, doch ihr erster König Philipp V. war ein Urenkel Ferdinands I. aus dem Hause Habsburg.

Bisher nennen Fachleute wie der Zürcher Anthropologe Wolfgang Scheffrahn als besondere Kennzeichen im Erscheinungsbild der österreichischen Fürstenfamilie vor allem eine "fleischig verdickte Unterlippe" ("echte" Progenie), eine "große und gebogene Nase", "mitunter stark hervortretende Augäpfel", einen "langen Kopf" sowie ein "hohes, sehr schmales Gesicht".

Beeindruckende Beispiele für den "fast geschlossenen Merkmalskomplex" böten etwa die Habsburg-Kaiser Maximilian I. (1459-1519), genannt "der letzte Ritter", oder Karl V. (1500-1558), berühmt mit dem Ausspruch: "In meinem Reich geht die Sonne nicht unter."

Die prominente Nase und das ausladende Kinn finden sich aber schon auf der Grabplatte des allerersten Habsburger Königs Rudolf I. (1218-1291) im Dom zu Speyer. Der Zahnmediziner Harald Sander zog in einer Studie der 409 Familienmitglieder in 23 Generationen den Schluss, der "Vererbungsmodus der mandibulären Progenie" des Unterkiefers werde "von einem dominanten Gen mit hoher Penetranz" gesteuert" - das typische Merkmal gehe fast durchweg von einer Generation auf die nächste über. Die Studie des Dentologen entsprach den Erwartungen, denn, so Scheffrahn, "aus machtpolitischen Gründen sind in bestimmten Jahrhunderten zahlreiche Verwandtenehen zwischen den 13 Familien des Herrscherhauses Habsburg geschlossen worden". Die "aus politischen Gründen stark betriebene Inzucht" habe dazu geführt, "dass der Familientyp in beiden Geschlechtern über viele Generationen hinweg nahezu unverändert blieb." Philipp II. von Spanien (1527-1598) etwa, der vor England die Armada verlor, heiratete in erster Ehe seine Cousine Maria von Portugal und in vierter Ehe seine Nichte Maria von Österreich. Mehr noch: Nach dem Grundsatz "tu felix Austria nube" ("du glückliches Österreich, heirate") brachten zahlreiche Habsburg-Prinzessinnen die prägnante Progenie in zahlreiche andere Fürstenfamilien - prompt wurden auch Bayerns Wittelsbacher, Englands Tudor, Italiens Farnese oder Portugals Braganza kinnlastig. Auch Velazquez-Objekt Margarita Teresa diente ihrer Dynastie besonders erfolgreich: Sie heiratete nach langen Eheverhandlungen Ostern 1666 ihren Onkel und Cousin Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Seit ihrer Kindheit an einer krankhaften Veränderung der Schilddrüse leidend, schenkte sie ihrem Gemahl fünf Söhne und eine Tochter, bevor sie mit nur 21 Jahren an Erschöpfung starb. Das Bild ihrer Schönheit hielt ihr berühmter Maler für die Nachwelt fest.