Tausende Moskauer warten im Regen auf Einlass. Putin legt rote Rosen am Sarg nieder. Heute Beisetzung im Kloster.

Moskau. Der Mahagoni-Sarg ist mit weißem Satin ausgelegt, daneben eine militärische Ehrenwache und eine Fahne Russlands mit Trauerband: Tausende Menschen haben in Moskau am offenen Sarg von Alexander Solschenizyn Abschied genommen. Unter den Trauergästen in der Akademie der Wissenschaften am Lenin-Prospekt waren auch der letzte Staatspräsident der UdSSR, Michail Gorbatschow (77), und der russische Ministerpräsident Wladimir Putin (55). Er legte vor einem großen Foto des früheren Regimekritikers und Literaturnobelpreisträgers rote Rosen nieder. Heute soll Solschenizyn, der ein tiefgläubiger orthodoxer Christ war, auf dem Friedhof des Moskauer Donskoi-Klosters beigesetzt werden.

Der Autor, der durch die Aufarbeitung des Stalin-Terrors Weltruhm erlangte, war am Sonntag 89-jährig gestorben. Zu seiner Bestattung wird auch Präsident Dmitri Medwedew (42) erwartet, der dafür seinen Urlaub an der Wolga unterbricht.

Bei der Zeremonie in der Akademie, bei der Trauerreden nicht vorgesehen waren, nahm Solschenizyns Witwe Natalia mit Söhnen und Verwandten Beileidsbekundungen entgegen. Unter den Trauergästen waren gestern auch ehemalige politische Häftlinge. "Ich bin ebenfalls durch die Schrecken des Gulag gegangen", sagte die Lehrerin Ljudmila Aleksejewna und legte rote Nelken nieder. Sie sei gekommen, um sich von einem "einzigartigen Menschen" zu verabschieden. Aus Lautsprechern ertönte leise getragene Musik.

In Kondolenzschreiben an die Familie würdigten Politiker wie US-Präsident George W. Bush (62) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (54, CDU), aber auch viele Künstler, den Verstorbenen.

Nach der Veröffentlichung seines Hauptwerks "Archipel Gulag" 1973 war Solschenizyn des Landes verwiesen worden. 1994 kehrte er nach Russland zurück. Er galt als Verkörperung der Schrecken und Leiden von Millionen von Menschen unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin (1878-1953). Solschenizyns literarische und historische Aufarbeitung der Verbrechen des kommunistischen Regimes hatte Menschen weltweit die Augen für die Brutalität des Totalitarismus geöffnet. Unter Stalin kamen in Straflagern, die die Sammelbezeichnung Gulag hatten, viele Millionen Menschen ums Leben.