Die Marmorbüste aus der Lebenszeit des römischen Feldherrn lag in einem französischen Flussbett.

Hamburg. Mit der ägyptischen Königin Kleopatra, die er als 23-Jährige im Triumphzug mit nach Rom führte, bildete er das berühmteste Liebespaar der Antike: Gajus Julius Cäsar. Während jedoch ägyptische Bildhauer - wie es dort Brauch war - die göttliche Herrscherin in zahlreichen Büsten und Reliefs noch zu Lebzeiten darstellten, waren bislang von dem römischen Imperator, der sich in späten Jahren selbst in gottgleicher Erhabenheit feiern ließ, keine zeitgenössischen Darstellungen bekannt.

Bis jetzt ein französischer Archäologe bei Grabungen in der Rhone bei Arles in der Provence auf eine Marmorbüste stieß, die er eindeutig als Abbild Cäsars identifizierte. "Unser Fund stammt vermutlich aus den Jahren 49 bis 46 vor Christus, als Cäsar auf dem Rückzug vom letzten Afrika-Feldzug mit dem Sieg von Thapsos das heutige Arles zur römischen Kolonie gemacht hat", behauptet Grabungsleiter Luc Long, "ich habe ihn sofort erkannt." Die Skulptur ist bis auf eine Beschädigung an der Nase in sehr gutem Zustand. Vorausgesetzt, das Stück ist echt, kommt der Fund einer archäologischen Sensation gleich. Denn bisher sind nur 25 bildliche Darstellungen des berühmten Feldherrn bekannt, die aber alle erst nach Cäsars Tod entstanden sind. Und im Gegensatz zum Casar arlesien , der dem Betrachter als einfacher, wenn auch strenger Krieger entgegentritt, verherrlichen ihn alle späteren Stücke gerne als glorreichen, weisen Übermenschen mit göttlichem Lorbeerkranz. Der "neue" Cäsar wirkt lebensnäher als die herkömmlichen. In jenen Jahren 49 bis 46 schrieb Cäsar im wahrsten Wortsinn sprichwörtlich Geschichte, entstammen doch die berühmtesten Zitate, die wir heute mit seiner Vita verbinden, aus jener Zeit.

Da wäre zunächst alea iacta est - die Würfel sind gefallen -, das der Feldherr ausgerufen haben soll, nachdem er im Jahr 49 nach Überschreitung des oberitalienischen Flusses Rubikon den Bürgerkrieg gegen Pompejus angezettelt hatte und damit den Grundstein zu späterem Ruhm und Größe gelegt hatte. Ein Jahr später begann der 52-jährige Cäsar das Techtelmechtel mit der ägyptischen Königin, die den 31 Jahre älteren Römer mit seinem Heer im heimischen Erbfolgestreit um Hilfe gerufen hatte. Wieder ein Jahr drauf erscholl sein prahlerisches veni, vidi, vici (ich kam, ich sah, ich siegte), mit dem Cäsar einem Freund seinen Blitzsieg über Pharnakes II. bei Zela, dem heutigen Zile in der Türkei, kurz und bündig geschildert haben soll.

Im Jahr 46 schließlich nahm jene Lebensphase ihren Anfang, die ebenfalls mit seinem Namen verbunden ist und den krankhaft übersteigerten Größenwahn von Machthabern kennzeichnet: Cäsarenwahn.

Zunächst ließ er sich vom Senat zum Diktator auf die ungewohnte Dauer von zehn Jahren ausrufen. Zugleich führte er einen neuen Kalender auf der Grundlage des Sonnenjahrs ein, dem er seinen Familiennamen gab, den julianischen Kalender. Im Jahr 45 schließlich ernannte er sich zum Diktator auf Lebenszeit, ließ sich als pater patriae (Vater des Vaterlandes) oder divus Julius (göttliche Verehrung) preisen und benannte den Monat Quintus nach sich selbst: Julius, hierzulande als Juli gebräuchlich. Nachdem er sein tiefes Misstrauen gegen republikanische Formen immer drastischer zum Ausdruck gebracht hatte, kam es in den Iden des März 44 zum Attentat: Am 15. März wurde er im Senat erstochen. Kleopatra, die bis dahin in Rom gelebt und ihm zu jener Zeit, als unsere Büste entstand, 47 einen Sohn namens Kaisarion geboren hatte, kehrte nach Ägypten zurück. Ein Jahr nach der verlorenen Schlacht bei Aktium nahm sie sich 30 v. Chr. durch einen Schlangenbiss das Leben. So lebendig die Geschichte durch das steinerne Porträt des Menschen Cäsar wieder vor uns aufrollt - es wurden an die 100 weitere Antiquitäten aus dem sumpfigen Flussbett der Rhone geborgen. Die Wissenschaftler hoffen jetzt nur, dass ihnen nicht Gleiches widerfährt wie den Stadtvätern von Livorno (Italien). Dort wurden 1984 drei Skulpturen aus einem Kanal gefischt, die die Wissenschaft dem Maler und Bildhauer Amadeo Modigliani (1884-1920) zuordnete. Allerdings: Als alle Welt die kunsthistorische Sensation feierte, kam heraus: Kunststudenten hatten zum 100. Geburtstag des Meisters die Plastiken geformt und im Stadtgraben versenkt. Aber Arles ist schließlich (nicht nur) Freunden der römischen Geschichte ein Begriff: Als Alesia war es die Hauptstadt des Keltenfürsten Vercingetorix, der 52 v. Chr. von Cäsar geschlagen wurde. Als Asterix ist er Millionen klassischer Comic-Leser ein Begriff.