Mit Klischees ist es wie mit Kantinengerüchten: Sie haben meist einen wahren Kern. In der Regel jedoch ist dieser Kern von so viel beweglicher Masse umgeben, derart üppig abgepolstert, dass nach und nach das Innere ob der feisten Hülle in Vergessenheit gerät. Opernsänger zum Beispiel.

Opernsänger nämlich, so will es das Klischee, sind in der Regel recht beleibt. Logisch. Eine voluminöse Stimme, denken wir nur an Pavarotti, braucht Resonanzraum. (Und siehste: Selbst die Netrebko ist jetzt schwanger.) Die Fülle jedoch birgt Gefahren: Opernsänger, behauptet nun eine neue Studie, leiden besonders häufig unter Sodbrennen. "Heartburn" heißt das auf Englisch, und da wundert einen natürlich gar nichts mehr, bei all dem Herzschmerz, den ein Opernstar so tagein, tagaus berufsbedingt in die Gegend tönt.

Und wie es so ist: Erst steigt das hohe C, dann der Ruhm, dann der Magensaft. Denn bei Sodbrennen handelt es sich um eine Ventilschwäche. Verkürzt gesagt: Weil Opernsänger immer so aufdrehen, fließt praktisch alles unkontrolliert in alle Richtungen. Dass diese Studie ausgerechnet mit italienischen Sängern gemacht wurde, wundert einen nebenbei bemerkt weit weniger als die Tatsache, dass Fluggesellschaften englische Gepäckstücke zum Sortieren nach Italien schicken, wo dort doch praktisch auch sonst alles unkontrolliert in alle Richtungen fließt, aber das ist ein anderes Klischee.

Kurzfristiges Sodbrennen kann übrigens mit rohem Sauerkraut gelindert werden. Andererseits, das lässt sich überall nachlesen, sollte man bei Sodbrennen grundsätzlich eher weniger essen als mehr . Und dann ausgerechnet Sauerkraut? Das ohne Begleitschweinshaxe ja auch nicht so geschmeidig rutscht? Bayerische Schlachtplatte zur Sodbrennen-Vermeidung - die Strategie klingt zunächst gewagt. Dabei muss das Kraut natürlich äußerlich angewendet werden. Unter den Opernfrack gestopft. Futter ins Futter (des Kostüms). Wobei hierzulande die Polsterung mit deutschen Nationalgerichten besonders bei Wagner-Vorstellungen anregend wirkt. Dirigenten trotzdem keinesfalls füttern. Wenigstens nicht während der Arien.

Ach, Oper. Der schöne Ton, gehüllt in bewegliche Masse. Der kostbare Resonanzleib, bedeckt von Kohlgemüse. Der fette Sänger, nichts als ein Klischee. Paniert ist er, in Kasseler und in Krautsalat. Ja, Heartburn ist des Opernsängers Tagewerk. Das Entflammen der Herzen die große Kunst. Bloß kommt Kunst hier halt nicht von Können. Sondern aus der Kantine.