Das Tier hatte sich im Seil einer Boje verfangen. Forschung soll auch Menschen nützen.

Clearwater. Der Prothesen-Spezialist Kevin Carroll wird in den USA immer dann zu Hilfe gerufen, wenn bei einem Patienten eine besonders komplizierte Amputation vorgenommen wurde. Und so kümmert er sich selbstverständlich auch um Winter - den einzigen Delfin, von dem bekannt ist, dass er den Verlust seiner Schwanzflosse überlebt hat.

Die Delfindame war erst drei Monate alt, als sie sich im Dezember 2005 in der Nähe von Cape Canaveral (Florida) im Halteseil einer Boje verhedderte. Dieses schnürte die Blutzufuhr zu ihrem Schwanz ab. Ein Fischer brachte die geschwächte Winter ins Rettungszentrum für Meerestiere des Clearwater Marine Aquariums, doch ihre Schwanzflosse war nicht mehr zu retten.

"Als ich sie sah, habe ich mein Herz an sie verloren", sagt Carroll. Er habe gleich daran geglaubt, dass es möglich sei, dem Delfin einen neuen Schwanz zu konstruieren. Doch es war schwieriger als erwartet, einen der leistungsfähigsten Schwimmmechanismen nachzubilden, den die Natur hervorgebracht hat. Nach monatelangen Experimenten erzielten Carroll und sein Team erste Erfolge.

Die inzwischen 18 Monate alte Winter hat inzwischen sogar gelernt, ohne ihren Schwanz zu schwimmen. Sie überraschte ihre Betreuer mit einer Art der Fortbewegung, die an eine Mischung aus den Bewegungen eines Alligators und denen eines Hais erinnert. Um vorwärts zu kommen, nutzt der Delfin seine Vorderflossen, die normalerweise nur dem Lenken und Bremsen dienen.

Dieser spezielle Schwimmstil erlaubt es Winter zwar, langsam vorwärts zu kommen, es besteht jedoch die Gefahr, dass die ungewöhnlichen Bewegungen ihrer Wirbelsäule schaden. Bereits jetzt zeigt Winter gelegentlich Zeichen von Schmerzen. Daher erhält der Delfin eine Art Physiotherapie zur Muskelstärkung.

Eine Delfin-Prothese zu entwickeln ist völliges Neuland. Zwar erhielt bereits ein japanischer Delfin eine Schwanzprothese, dessen Schwanz war jedoch nur verkümmert, und so konnte diese daran festgemacht werden. Die Erfolge, die das Team um den Prothesenspezialisten Carroll bei Winter erzielt, können auch für menschliche Amputationspatienten von Vorteil sein. So wurde ein Silikonüberzieher entwickelt, der die empfindliche Haut des Tieres schont. Diese Methode konnte auch einem US-Soldaten helfen, der bei einem Attentat im Irak beide Beine und seine rechte Hand verloren hatte. Derzeit arbeitet Carroll an einem neuen Material, das auch die Prothesen menschlicher Patienten resistenter gegen den schädlichen Einfluss von Salzwasser machen soll.

Winter muss an alle Neuerungen langsam herangeführt werden. "Ich hatte das Training unterschätzt, das mit jeder Anprobe einhergehen muss. Wenn wir mit Winter arbeiten, geht es in ihrem Tempo voran, nicht in unserem. Wenn sie so weit ist, etwas zu tun, dann machen wir weiter."

Derzeit wird die Delfindame langsam an die Prothesenteile gewöhnt. Und vielleicht kann Winter eines Tages wie ihre Artgenossen mithilfe ihrer Schwanzflosse bis zu drei Meter hoch aus dem Wasser springen.