Nach Sturm auf San Luca gibt es neue Spuren zu den Killern in Deutschland.

Rom/Duisburg. Die Razzia gegen die Mafia begann im Morgengrauen. San Luca, ein kleines Dorf in Kalabrien, gestern Morgen: Klammheimlich umstellen 500 Beamte den Ort, der seit Jahren als Hochburg der "'Ndrangheta", Italiens mächtigster Mafia-Organisation, gilt. Hubschrauber tauchen den noch dunklen Himmel in gleißendes Licht und reißen die Einwohner aus dem Schlaf. Alle Fluchtwege sind versperrt. Polizei und Carabinieri durchsuchen Haus um Haus - und werden fündig.

Sogar ein Bunker wird mitten im Zentrum von San Luca unter einem Wohnhaus entdeckt und von Spezialkräften mit einem Presslufthammer aufgebrochen. Innen hocken drei der Gesuchten, auch für sie klicken die Handschellen. Insgesamt werden 32 Mafiosi, darunter fünf Frauen, gefasst. Unter ihnen: Sonia Carbetta, eine zarte und zerbrechlich wirkende Blondine. Die schmächtige Frau ist aber möglicherweise eine heimliche Mafia-Patin, die den Rachefeldzug der Clans anführt. Einige der Festgenommenen sollen in den Mord an Maria Strangio, der Ehefrau von Clan-Boss Giovanni Strangio (38), Weihnachten 2006 verwickelt sein. Die Tat gilt als Auslöser für die Duisburger Morde im Restaurant Da Bruno. Dort wurde auch Sebastiano Strangio, Mitinhaber des Lokals und Bruder des Clanchefs, erschossen. Der oberste Anti-Mafia-Staatsanwalt Pietro Grasso: "Dies ist ein erster wichtiger Erfolg gegen die verfeindeten Mafia-Clans Strangio-Nirta und Pelle-Vottari-Romeo in der Region, auch wenn die Mörder von Duisburg bei der Operation nicht gefasst werden konnten." Seit 1991 tobt die blutige Familienfehde um die Vorherrschaft im Drogen- und Waffenhandel. Dutzende Tote sind seitdem in San Luca zu beklagen - doch die Mörder wurden nie gefasst. Alle Bürger halten sich eisern an die "Omertà" - das Mafia-Gesetz des Schweigens. Auch die sechs Toten von Duisburg stammten alle aus San Luca. Die deutsche Polizei verfolgt mittlerweile eine "vielversprechende Spur".

Fest steht jetzt: Kurz vor dem Blutbad feierte eines der späteren Opfer, Tomasso V., im Da Bruno nicht, wie bisher angenommen, seinen 18. Geburtstag, sondern es handelte sich um ein Aufnahmeritual in die 'Ndrangheta. Ein Polizeisprecher: "In seiner Hosentasche haben wir ein Heiligenbild des Erzengels Gabriel gefunden, dem das Gesicht weggebrannt worden war." Der Erzengel ist der Schutzpatron der italienischen Polizei. Die symbolische Verstümmelung seines Gesichts ist eines der wesentlichen Elemente des Aufnahmerituals der 'Ndrangheta. Tomasso V. hatte bei der Polizei bisher als ein unschuldiges Opfer des Massakers gegolten. Der junge Mann gehörte als einziges Todesopfer nicht zu den kalabrischen Familienclans. Er arbeitete als Lehrling im Da Bruno. Als Einziger wurde er in Deutschland beigesetzt - in Mülheim an der Ruhr.

Auf der Trauerfeier hatte Padre Antonio Lucato in seiner Predigt noch gesagt: "Er war ein lieber Junge, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort." Das glaubt die deutsche Polizei inzwischen nicht mehr. Mit seinem Beitritt zum Clan wurde er auch zum Mitstreiter in der Mafia-Fehde.