Prozess gegen den Schüler vertagt. Urteil für September erwartet. In Deutschland wäre er längst in Freiheit. Das Warten kostet sichtlich Nerven. Seit vier langen Monaten sitzt der Schüler Marco W. (17) aus Uelzen nun schon in türkischer Untersuchungshaft. Er wirkt mutlos, die Augen sind dunkel gerändert, als er ins Gerichtsgebäude von Antalya gebracht wird.

Antalya. Auf dem Flur läuft der Vater des wegen Missbrauchs des britischen Mädchens namens Charlotte (13) angeklagten Jungen nervös auf und ab. Mit seinen grauweißen Kacheln hat das Gebäude den nüchternen Charme eines Finanzamts. Doch in den sorgenvollen Gesichtern der Wartenden, unter ihnen auch Marcos Mutter Martina (49), spielen sich Dramen ab. Dann die schlechte Nachricht: Das Verfahren wird auf den 6. September vertagt. Marco bleibt weiterhin in türkischer U-Haft. Der Fall des jungen Deutschen steckt in den Mühlen der Justiz fest.

Sein deutscher Anwalt Nikolaus Walther sieht die Version von Marco gestern nach der Aussage von zwei Zeugen bestätigt. Denn der türkische Gynäkologe Levent Hekim (58), der die 13-Jährige nach der angeblichen Tatnacht vor vier Monaten untersucht hatte, hat keine Anzeichen für eine Vergewaltigung des Mädchens gefunden. Danach war Charlotte mit ihrer Mutter zunächst beim Hotelarzt. Der habe sich für nicht zuständig erklärt und die Frau an die Klinik verwiesen. Dort sei das Mädchen ganz entspannt gewesen. Die Frage, ob ihr Gewalt angetan worden sei, habe sie verneint. Sie habe Marco selbst eingeladen, gibt der Arzt die Aussage wieder. Bei der medizinischen Untersuchung seien zwar Spermaspuren im Körper des Mädchens gefunden worden. Diese seien aber offensichtlich hineingelaufen. Die 13-Jährige sei noch Jungfrau. Mutter und Schwester waren nach Aussage des Arztes aber sehr nervös wegen einer möglichen Schwangerschaft.

Nach den Worten von Anwalt Walther hat neben dem Mediziner auch ein zweiter Zeuge - ein Junge, der bei dem Vorfall mit im Zimmer war - den Schüler entlastet. Deshalb sei es nicht nachvollziehbar, weshalb Marco nicht auf freien Fuß gesetzt werde, sagte Walther. Nach seinen Worten ist Marco nach dem zweiten Prozesstag "in ein tiefes Loch gefallen". Die Eltern seien sehr enttäuscht. Das Auswärtige Amt bemüht sich um seine Entlassung.

Die andauernde Untersuchungshaft sei mit einem Rechtshilfeersuchen an Großbritannien begründet worden. Das Ergebnis müsse noch abgewartet werden. Das Gericht hofft auf eine Zeugenaussage von Charlotte vor der britischen Polizei. Marco und Charlotte hatten sich im Badeort Side kennengelernt und waren nach einem Discoabend mit anderen Jugendlichen im Hotelzimmer der 13-Jährigen gelandet. Die Initiative zu den Zärtlichkeiten sei von dem Mädchen ausgegangen. Sie habe ihr Alter mit 15 Jahren angegeben. Den Prozess treibt vor allem die Familie des Mädchens voran. Die türkischen Justizbehörden bieten die juristische Bühne und handeln, wie es das Gesetz des Landes vorsieht. Die deutschen Forderungen nach einer Freilassung Marcos in Verbindung mit laufenden Verhandlungen über einen EU-Beitritt zu bringen, hätten dem Jungen womöglich einen Bärendienst erwiesen, meinen Beobachter. Ein solcher Prozess würde in Deutschland wegen des milden Jugendstrafrechts allerdings sehr viel schneller ablaufen. Marco müsste allenfalls mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Dass die Staatsanwaltschaft Lüneburg ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen die sexuelle Selbstbestimmung der 13-Jährigen einleitete, hat der Jugendliche deshalb auch nicht zu fürchten. Die Behörde ist dazu verpflichtet, weil deutsches Strafrecht auch für im Ausland begangene Straftaten gilt.