Ärzte stoppten das Wachstum des Mädchens, damit es gesünder bleibt und leichter gepflegt werden kann.

London/New York. Sie heißt "Ashley X" und wird zeitlebens ein kleines Mädchen bleiben. Lange war ihr Schicksal geheim. Ashley (9) war eine anonyme Fallstudie zweier Ärzte des Seattle Childrens Hospital (USA). Ihre Behandlung war so radikal, dass die Mediziner der Eugenik beschuldigt wurden - der Erschaffung eines Frankensteins des 21. Jahrhunderts, die Verstümmelung eines Kindes aus Gründen der Bequemlichkeit.

Der Grund für den Streit: Vor drei Jahren, als Ashley erste frühe Zeichen von Pubertät zeigte, beauftragten ihre Eltern die Ärzte, ihr Uterus, Blinddarm und die sich entwickelnden Brüste zu entfernen und ihr hohe Östrogendosen zu verabreichen, die ihr Wachstum stoppten. Mit anderen Worten: Ashley wurde sterilisiert und dazu verdammt, für immer ein Kind zu bleiben. Sie war erst sechs Jahre alt. Ashley, Tochter von zwei Berufstätigen in der Gegend um Seattle, hatte nie eine Chance auf ein normales Leben.

Sie wurde mit einer schweren Hirnkrankheit geboren, bekannt als statische Enzepalopathie. Sie kann nicht gehen, sprechen, ihren Kopf heben oder schlucken.

Ihre Eltern beteuern, Ashley "klein zu halten" sei der beste Weg, die Lebensqualität des Kindes zu verbessern - und nicht gefällt worden, um ihr eigenes Leben bequemer zu gestalten: "Ashley kann leichter bewegt und öfter auf Ausflüge mitgenommen werden und kann so mehr am öffentlichen Leben teilnehmen, anstatt den ganzen Tag im Bett zu liegen und TV zu gucken." Als ewiges Kind könne Ashley gesünder leben, beispielsweise ohne Gebärmutterhalskrebs, und dank der Entfernung des Uterus bleibe ihr auch die Periode erspart. Ashleys Brüste inklusive der Milchdrüsen waren entfernt worden, weil ihr eine große Oberweite vorausgesagt worden war. Ihre Eltern glauben, ihr so Unannehmlichkeiten erspart und gleichzeitig Brustkrebs und fibrozystische Auswüchse verhindert zu haben. Sie fürchteten zudem, dass Ashley mit großen Brüsten sexuell misshandelt werden könnte. Der Fall "Ashley X" wurde 2004 vom Ethik-Komitee des Krankenhauses bewilligt. Man einigte sich, dass Ashley nicht zwangssterilisiert würde (eine Form von "Rassensäuberung", die in den 20er-Jahren gefördert und als Eugenik bekannt wurde), weil sie nie aus eigenem Willen schwanger werden könnte. Die Akte wurde jedoch nicht publik gemacht und der Fall nie legal angefochten.

Ashleys Ärzte Daniel Gunther und Douglas Diekema schrieben in der Oktober-Ausgabe der "Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine", dass die Behandlung "ein großes Hindernis der familiären Pflege beseitigt". Nach unzähligen empörten Artikeln im Internet entschloss sich Ashleys Vater jetzt zu einer Antwort.

Am Neujahrstag veröffentlichte er eine 9000 Wörter umfassende Erklärung im Internet, in der er seine Entscheidung rechtfertigt. Der Blog enthält Links zu Fotos von Ashley, in denen die Gesichter anderer Familienmitglieder, darunter Ashleys jüngere Schwester und Bruder, geschwärzt sind. "Einige stellen infrage, wie Gott über diese Behandlung urteilen würde", schrieb er. "Der Gott, den wir kennen, möchte ihre Lebensqualität verbessern." Ashley werde 1,30 Meter groß und etwa 34 Kilo schwer bleiben. Ohne Behandlung würde sie zu einer Frau durchschnittlicher Größe und Gewicht mit einer normalen Lebenserwartung heranwachsen.

Mediziner sind geteilter Meinung. "Die meisten würden sagen, dass es von Grund auf falsch ist", vermutet Jeffrey Brosco von der Universität Miami. "Doch es ist eine komplizierte Geschichte. Wenn wir als Gesellschaft diese missliche Lage ändern wollen, muss es mehr Fördermittel für familiäre Pflege und nicht für mehr Medikamente geben." Georg Dvorsky, Direktor des Institute for Ethics and emerging Technologies, kontert: "Wenn die Sorge damit zu tun hat, dass die Würde dieses Mädchens verletzt wird, muss ich mit dem Argument protestieren, dass dem Mädchen jegliche kognitiven Kapazitäten fehlen, um das Gefühl der Erniedrigung wahrzunehmen."