Mallorca? Nein, danke. Immer weniger Touristen. Die Schattenseiten der Sonneninsel

München. "Wir waren schon das dritte Mal auf der Insel", sagen Holger (28) und Sabine (26) aus Köln. "So leer wie diesmal ist es noch nie gewesen. Abends ist praktisch gar nichts los." Mallorca hat es schlimm erwischt. 20 bis 30 Prozent weniger Urlauber in diesem Jahr. Die Wirtschaft am Boden. Hotels, die gar nicht erst aufmachen oder wegen fehlender Gäste schließen. Umsatzeinbußen von mehr als 20 Prozent in der Gastronomie und im Handel. Und dann das Wetter. So schlecht wie seit Jahren nicht. Sturzbäche kamen im Juli vom Himmel. Die Sonneninsel versank im Regen. Aber es ist nicht nur das. Etwas ist kaputt gegangen. Dafür reicht ein Blick auf die nackten Zahlen. Klaus Laepple, Präsident des Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verbandes (DRV) schätzt, dass am Jahresende die Zahl der deutschen Urlauber um eine Million auf zwei Millionen zurückgegangen sein wird. Ein Drittel in einem Jahr. Das sieht aus wie ein Boykott. "Wir haben plötzlich einen Malus bei sehr vielen Leuten", sagt Vicens Ferrer (55), Präsident des mallorquinischen Fremdenverkehrsverbandes. "Da muss man fragen, woher das kommt." Erklärungen gibt es viele. Und jeder hat eine andere. Vom 11. September und der schlechten wirtschaftlichen Großwetterlage über den "Teuro" bis hin von der zu der rot-grünen Regierung der autonomen Region der Balearen erhobenen Ökosteuer. Deutschlands TUI-Chef Volker Böttcher sagt, die Hoteliers hätten die Preisschraube überdreht, Streiks von Busfahrern und Hotelpersonal hätten dem Image geschadet und viele Urlauber fragten sich, ob sie überhaupt noch willkommen seien. Insgesamt zählte TUI als größter Reiseveranstalter Europas 26 Prozent weniger Gäste auf Mallorca als im Vorjahr. Fast ein Drittel der Bundesbürger bleibt lieber im Lande - etwa 18 Millionen verbringen ihre Ferien in Deutschland, allein vier Millionen davon in Bayern. Vicens Ferrer sieht die Schuldigen in der Politik. Sie haben Anti-Werbung für Mallorca betrieben und die Touristen vergrault: "Die wollen keine Leute mehr mit wenig Geld, die wollen keine Leute, die saufen. Was die wollen, sind Leute, die spazieren gehen und sich für Kultur interessieren. So. Und jetzt versuchen Sie mal, 400 000 Betten und unzählige Häuser allein mit diesen Leuten zu füllen. Ein Ding der Unmöglichkeit." Ferrer, selbst Hotelier, glaubt, dass es auch weiterhin ein Angebot für jede Nachfrage geben muss. "Wenn die Leute die Sau rauslassen wollen, okay. Es wäre aber gut, wenn wir das auf gewisse Gegenden beschränken. Die Ballermann-Leute wollen doch gar nicht in die Berge. Und wer seinen Urlaub auf der Finca verbringt, will nicht nach Arenal. Dort, im Dorado der Amüsierwütigen, ist die Stimmung besonders trist. "Dachte, hier ist was los", sagt Mike (26) aus Celle. Er sitzt mit Freunden, in Schlappen und Badeshorts, am "Balneario 6", der Lieblingsstrandbude der deutschen Pauschaltouristen, die nach einem Gesetz der Regierung nicht mehr "Ballermann 6" heißen darf. Auch die Speise- und Getränkekarten sind jetzt auf Spanisch. "Bring' mir noch ein Bier", ruft Mike dem Kellner zu. "Die Deutschen haben uns einfach viel zu lange durch die rosarote Brille gesehen", sagt Ferrer, der mit einer Deutschen verheiratet ist. "Das war total übertrieben, jetzt schlägt das Pendel zurück. Ich glaube zum Beispiel, dass sich viele Leute von dieser Mode Mallorca haben anstecken lassen. Sie sind hierher gezogen und haben dabei ihre Anpassungsfähigkeit überschätzt. Dann haben sie festgestellt, dass es hier doch ganz anders ist als zu Hause." Gleichzeitig sei es auf der Insel inzwischen salonfähig, auf die Touristen zu schimpfen. "Das hat auch dazu geführt, dass sich die deutschen Einwohner von Mallorca schlecht angenommen fühlen", bestätigt Ferrer. Eine verfahrene Situation. Denn die Mallorquiner brauchen die Deutschen. "Von heute auf morgen können wir den Tourismus nicht umkrempeln", sagt er. "Im Moment ist unsere Industrie auf die Million deutsche Urlauber genauso angewiesen wie auf die 200 000 Engländer, die wir in diesem Jahr wahrscheinlich auch noch verlieren. Umkehrbar sei das Schicksal sowieso nicht - "denn entweder wir lernen ganz schnell, wie man die besten Chips der Welt baut und laufen dem Silicon Valley den Rang ab. Oder wir bleiben bei dem, was wir können, und das ist der Tourismus . . .