Modelsuche: Kritik an TV-Show mit Heidi Klum immer schärfer. 19jährige flog aus der Sendung, weil sie angeblich zu dick ist. Ärzte fürchten: Das treibt immer mehr Mädchen in die Magersucht.

Köln/Hamburg. Wirbel um Heidi Klum (32) und ihre Fernsehshow "Germany's next Topmodel". Nach dem Ausscheiden von Irina (19), die angeblich zu dick ist, diskutiert ganz Deutschland: Wieviel darf ein Model wiegen? Und wie weit darf Schlankheitswahn gehen?

Die Jury der ProSieben-Show verteidigte gestern ihre Entscheidung, der schlanken Irina (1,76 Meter, 52 Kilo) eine Absage zu erteilen. Der Juror Peyman Amin (34; Agent bei der weltgrößten Modelagentur IMG): "Die Diskussion um Maße gibt es, seit es Models gibt. Die Anforderungen stellen einzig und allein die internationalen Topdesigner. Sie haben eine ganz genaue Vorstellung davon, wie ihre Mode elegant und glamourös präsentiert werden soll. Deshalb muß ein Haute-Couture-Model die richtigen Maße haben. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist aber die Ausstrahlung eines Topmodels." Auch Heidi Klum habe nicht nur durch ihre Maße, sondern auch durch Natürlichkeit und Charakter überzeugt.

Kandidatin Anne (17) schwärmt: "Schönheit hat nichts mit Dünnsein zu tun. Heidi hat mir das Selbstvertrauen gegeben und ich habe wirklich kapiert, daß ich unbedingt zunehmen und Lust am Leben haben muß - und dazu gehört ja auch das Essen mit Familie und Freunden, um glücklich und erfolgreich zu sein."

Mediziner werfen ProSieben und Heidi Klum vor, Mädchen in die Magersucht zu treiben. Professor Manfred Fichter, Ärztlicher Direktor an der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee: "Diese Show propagiert einen unerreichbaren Super-Mager-Wahn im Quadrat. Das kann für Nachahmerinnen tödlich enden. Denn exzessives langes Fasten schadet Seele und Körper schwer." Einige Teilnehmerinnen der Show haben sogar schon öffentlich bekannt, daß sie unter Eßstörungen leiden. "Diäten sind chic", sagt Ernst Pfeiffer von der Charite-Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Alarmierend: Eßstörungen würden bei den zwölf- bis 15jährigen Mädchen derzeit zunehmen. Kann eine TV-Sendung solche Störungen verursachen? Fichter : "Mädchen sind durch alles gefährdet, das Schlankheit propagiert." Seine Station für Eßstörungen war die erste in Deutschland, begann 1985 mit 37 Betten, heute sind es 130. Eine Frau wie Irina falle, so der Klinikchef, bereits in den Magersuchtbereich. Und ein Modeunternehmen gibt ihm recht: Die Lucia AG in Lüneburg will die Immobilienkauffrau zu einem Foto-Shooting einladen. "Sie paßt wunderbar in unsere junge Marke Lecomte", sagt Werbechefin Susanne Hasenbeck. Und: "Wir finden absolut nicht, daß Irina zu dick ist. Sie hat unheimlich viel Charisma und Ausstrahlung - das ist viel wichtiger." Aber: "Kleidergröße 38 sollte es schon sein", sagt Susanne Hasenbeck. Das sind Maße, die Irina mit ihren 84-67-87 nicht ganz ausfüllt. Sie müßte einige Kilo zunehmen, um die Lucia-Musterteile - alle in Größe 38 - tragen zu können. Die meisten deutschen Frauen tragen übrigens Größe 40.

Die Werbechefin: "Die Mädchen müssen überhaupt nicht so dünn sein, wenn sie Model werden wollen - heute ist eine neue Weiblichkeit gefragt. Dürr sieht krank aus." Mode wirke nicht, wenn die Frau keine Rundungen besitze. Irina darf laut ihrem Vertrag mit ProSieben vier Wochen lang nichts über die TV-Show sagen. Für sie könnten sich aber alle ihre Wünsche erfüllen: Für "Lucia" standen schließlich auch schon Linda Evangelista (40) und Claudia Schiffer (35) Modell . . .

Die zweite Folge läuft heute um 20.15 Uhr auf ProSieben. Schauplatz: die berühmte Victoria's Secret Dessous-Show in New York.