Dennis: Prozeß um den Tod eines Sechsjährigen. Eltern wegen Totschlags und Betrugs vor Gericht: Sie kassierten noch drei Jahre lang Kindergeld.

Cottbus. Dennis war erst sechs Jahre alt, als er starb. Verwahrlost und vereinsamt, von den Eltern drangsaliert und mißhandelt. Laut Anklage ließen sie ihn verhungern - und versteckten ihren kleinen Sohn in der Kühltruhe. Die Staatsanwaltschaft spricht von "Totschlag aus Geldgier" - und wirft den Eltern außer Mißhandlung Schutzbefohlener auch Betrug vor. Denn nach seinem Tod kassierten Angelika (44) und Falk B. (38) noch fast drei Jahre lang Kindergeld - insgesamt 3786 Euro. Jetzt müssen sie sich vor dem Landgericht Cottbus verantworten.

Beide kündigten Aussagen zu dem Verbrechen an, äußerten sich gestern aber nur zu ihrem Werdegang. Sie stammen aus sehr einfachen Verhältnissen. Auf Fragen antworten sie stockend, kaum in ganzen Sätzen. Immer wieder müssen die Anwälte bei der Formulierung der Antworten helfen.

Angelika B. brach in der DDR die zehnjährige polytechnische Oberschule ab. Weil aus ihrem Berufswunsch Schneiderin nichts wurde, schlug sie sich als Ungelernte durchs Leben. Als Tochter eines Justizvollzugsbediensteten und einer Verkäuferin wuchs sie in einer Wohnung auf dem Gelände des Cottbusser Gefängnisses auf. Bald nach Schulende lernte sie die Gitter von der anderen Seite kennen. Weil sie in einer Textilfabrik nur unregelmäßig arbeitete, wurde sie von der DDR-Justiz wegen "asozialen Verhaltens" verurteilt.

Mit 20 bekam sie ihr erstes von elf Kindern. Die erste Ehe scheiterte 1990 nach neun Jahren, weil ihr damaliger Mann dem Alkohol verfiel. Ihre zweite Ehe hält bis heute, stand jedoch auch unter keinem guten Stern. Als sie 1994 mit Dennis schwanger war, unternahm sie verzweifelt einen Selbstmordversuch und sprang aus dem Fenster. Zudem ist sie psychisch krank, kann sich nicht gemeinsam mit vielen Menschen in einem Raum aufhalten. Jahrelang suchte sie aus Angst vor der Situation im Wartezimmer deshalb keinen Arzt auf, erzählt sie, weder wenn sie noch wenn eines ihrer Kinder krank war. Falk B. begann mit 14 regelmäßig zu trinken. Bis 1990 verbüßte er eine dreijährige Haft wegen Trunkenheit am Steuer. Derzeit kümmert er sich - kontrolliert vom Jugendamt - um die Kinder und organisiert den Haushalt, während seine Frau stationär therapiert wird.

Laut Anklage hatten die Eltern Dennis schon seit 1998 nicht mehr ausreichend ernährt. Etwa ein Jahr, bevor er starb, habe die Mutter begonnen, den untergewichtigen Jungen mit einem Bademantelgürtel ans Bett zu fesseln - manchmal tage- und nächtelang. Nach seinem Tod im Frühsommer 2001 lebte das arbeitslose Paar und sieben weitere Kinder neben dem versteckten Leichnam in der Küche der Plattenbauwohnung im Cottbusser Stadtteil Sandow. Auf der Kühltruhe lag eine Decke, darauf stand die Kaffeemaschine. Die Truhe war abgeschaltet, aber luftdicht. Erst im Juni 2004 entdeckten Polizisten das mumifizierte Kind, nachdem das Jugendamt den seit drei Jahren schulpflichtigen Jungen endlich suchen ließ. Den Behörden hatte Angelika B. immer wieder erklärt, er könne wegen Zuckerkrankheit nicht eingeschult werden. Den Eltern drohen 15 Jahre Haft. Der Prozeß wurde gestern auf den 4. November vertagt.