Katrin Nürnberger

London

Es gibt eine "Pille danach" für Menschen, die mit dem Aidsvirus in Kontakt gekommen sind. Wird die einmonatige Therapie namens PEP (Post-Exposure Prophylaxis) innerhalb von 72 Stunden nach dem Kontakt mit HIV begonnen, reduziert sich das Risiko einer Aidserkrankung Studien zufolge um etwa 80 Prozent. Zwei HIV-positive Männer wollen nun die britische Regierung verklagen, weil die PEP-Behandlung in England nicht landesweit und für jedermann erhältlich ist, berichtet die Zeitung "Times".

PEP (antivirale Medikamente, ähnlich denen, die Aidspatienten gegeben werden) steht in Großbritannien jederzeit für das Krankenhauspersonal zur Verfügung, das mit dem Aidsvirus in Kontakt gekommen ist. Aber nur eine Handvoll Spezialkliniken in London und Brighton verschreiben die Therapie Patienten, die sich das Virus durch Sexualkontakt geholt haben. In der Öffentlichkeit ist die Behandlung kaum bekannt. Wie das Fachmagazin "British Medical Journal" berichtet, wurde die Effektivität von PEP in einer Studie in Amsterdam getestet. Nur einer von 151 Studienteilnehmern, die durch Sex mit dem Aidsvirus in Kontakt gekommen waren, erkrankte nach der Behandlung mit PEP an Aids. Der Teilnehmer, der positiv getestet wurde, gab zu, nach der Behandlung ungeschützten Sex gehabt zu haben. "Alle sexuell aktiven Menschen würden Zugang zu diesen Medikamenten haben wollen, wenn sie von ihrer Existenz wissen würden", sagt Anwältin Frances Swaine, die die beiden positiven Männer vor Gericht vertritt. "Die Behandlung könnte die ,Pille danach' für eine tödliche Krankheit sein." Swaine will für ihre Klienten Schadenersatz einklagen. Hat sie Erfolg, könnten auf die Regierung Tausende weitere Fälle zukommen. Die Männer, die das Ministerium verklagen, wußten nämlich genau, wann sie mit dem Virus in Kontakt gekommen waren. Sie hatten jedoch nie von der PEP-Behandlung gehört, und kein Arzt hat sie darauf hingewiesen.

In den USA, Australien, den Niederlanden und Frankreich ist die Behandlung weitgehend erhältlich. Das Robert-Koch-Institut in Berlin empfiehlt die Prophylaxe, obwohl auch in Deutschland viele nichts darüber wissen.

"PEP verdient seinen Platz unter den HIV-Präventionsstrategien", sagt Martin Fisher, ein Spezialist für Sexualkrankheiten. Die Behandlung sei noch immer nicht genügend erforscht, doch Studien bewiesen ihre Wirksamkeit. "Die Behandlung kostet 1500 Euro", so Fisher, "doch das ist nichts im Vergleich zu den 1,5 Millionen Euro pro Patient für lebenslange Aidsmedikamente." "PEP ist kein Ersatz für Safer Sex", so ein Regierungssprecher. Doch das Gesundheitsministerium erkenne an, daß über PEP nachgedacht werden müsse.