Entführt und missbraucht: 13-Jährige nach zwei Tagen befreit. Kuchen und Bier für den Kidnapper

Münster. Was für ein Martyrium. 40 Stunden lang war die 13 Jahre alte Wai Wai in der Gewalt eines psychisch kranken Entführers (37), der sie in den Niederlanden verschleppt und auf der Flucht nach Deutschland missbraucht hatte. Gestern um 5.30 Uhr gab er nach stundenlangem Nervenkrieg endlich auf. Auf seine Spur kam die Polizei durch den Hinweis eines Zeugen, dem der Wagen mit niederländischem Kennzeichen am Abend im Kreis Steinfurt aufgefallen war.

Montagnacht in Münster: Ein Dutzend Polizisten umringt den dunklen Wagen, die Pistolen im Anschlag, die Mündungen auf die Scheiben des Autos gerichtet. Immer mehr Streifenwagen kommen herbeigerast, Beamte sprinten über die Straße auf den Parkplatz der Autovermietung an einer Ausfallstraße. Nach einer wilden Verfolgungsjagd durchs Münsterland und einem Unfall, bei dem ein Autofahrer (24) verletzt wurde, hat die Polizei den Geiselnehmer eingekeilt. Es dauert mehr als sechs Stunden, bis der Mann endlich das Messer niederlegt und die chinesischstämmige Schülerin freilässt. Mit seiner Waffe hatte er das Mädchen am Sonntag in Rekken bei Eibergen (Niederlande) bedroht und in seinen Wagen gezerrt. Dann verging sich der Mann an seinem Opfer.

Was genau das Mädchen in dem 40 Stunden dauernden Martyrium durchgemacht hat, will die Polizei mit Rücksicht auf das Kind nicht sagen. Fest steht: Der Geiselnehmer stand seit dem 11. Mai auf den Fahndungslisten der Polizei, weil er von einem Freigang aus einem psychiatrischen Krankenhaus in Utrecht nicht zurückgekehrt war. Er hatte schon vor zehn Jahren einen Menschen entführt und vergewaltigt. Hätte die jüngste Entführung schneller beendet werden können? Das Bielefelder "Westfalen-Blatt" berichtet heute über eine Fahndungspanne: Die niederländische Polizei habe die Identität des Täters bereits sehr früh gekannt, ohne sie aber den deutschen Kollegen mitzuteilen.

Wai Wai wurde gestern in die Obhut von Psychologen gegeben und medizinisch in einem Krankenhaus untersucht. Am Nachmittag traf sie unter dem Jubel ihrer Freundinnen und Familie zu Hause ein. In die Freude mischten sich aber auch Tränen: Es wurde bekannt, dass Wai Wai schwer traumatisiert ist.

Polizeipsychologen hatten die ganze Nacht hindurch stundenlang beruhigend auf den Geiselnehmer eingeredet, berichten Zeugen. Schokolade, Kuchen und Bier sollen sie ihm gebracht haben, um sein Vertrauen zu gewinnen und ihn zur Aufgabe zu bewegen. Sogar die Eltern des Geiselnehmers seien in die Verhandlungen einbezogen worden. Ein Polizeisprecher: "Unsere Verhandlungstaktik ist aufgegangen." Ziel sei es gewesen, die Geiselnahme ohne Blutvergießen zu beenden. "Die Psychologen haben ihm aber auch klar gemacht, dass er keine Chance hat, wenn er nicht aufgibt", sagt Dominik Drohmann, ein Nachbar. "Es war wie im Fernsehen, nur besser, eine Meisterleistung." Drohmann hatte zusammen mit einem Kumpel das Szenario per Fernglas verfolgt. Am Morgen wurden die Beobachter von den Polizisten jedoch aufgefordert, vom Fenster wegzugehen. Ein Schusswechsel schien offenbar möglich.

Im Fall Denise (7) schließt die Polizei ein Verbrechen aus. Die Obduktion ergab: Das aus dem Freilinger See in der Eifel geborgene Mädchen aus Köln ist ertrunken.