Die letzte Kaiserin von Persien lebt seit 25 Jahren im Exil. Im Abendblatt spricht sie über ihre Hoffnungen, ihre Ängste, den Selbstmord ihrer Tochter und den islamistischen Terror

Berlin. Den majestätischen Habitus hat sie sich bewahrt, und ihre korrekte Anrede lautet noch immer "Kaiserliche Majestät". Stolz und würdevoll betritt Farah Diba-Pahlavi (65) die Bibliothek des Berliner Hotels Adlon zum Interview. Der legendäre Lidstrich ist unverändert, genau so wie ihre Frisur, das elegante Kostüm, die schlanken Beine. Ihr Lächeln ist nicht aufgesetzt, sondern warmherzig. Sie nimmt aufrecht auf der vorderen Hälfte des Sessels Platz, die linke Hand liegt auf dem rechten Handgelenk - eine Haltung, die orientalisch ausladende Gestikulation unmöglich macht. Am linken Ringfinger trägt sie zwei Eheringe, ihren und den des 1980 verstorbenen Schahs. Am Revers ihres Kostüms steckt eine Brosche: die Flagge des Iran. Ihr Blick ist fest und offen. Doch verraten ihre dunklen Augen auch tiefen Schmerz . . .

ABENDBLATT: Gerade jährte sich der Jahrestag der islamischen Revolution zum 25. Mal, 1979 haben der Schah und Sie Iran verlassen. Wie leben Sie heute?

FARAH DIBA-PAHLAVI: Ich pendle zwischen Paris und den USA, ich wohne in der Nähe von Washington. Den Todestag meines Mannes (27. 7.1980; d. Red.) verbringe ich jedes Jahr in Ägypten, an seinem Grab. Ich arbeite viel und bin nach wie vor Ansprechpartnerin für Iraner aus aller Welt, bekomme viele Briefe, beantworte sie und versuche zu helfen.

ABENDBLATT: Wie haben Ihre Kinder den Verlust der Heimat, der Freunde, der Umgebung und dann ein Jahr später den Verlust des Vaters verkraftet?

DIBA-PAHLAVI: Sie haben sehr gelitten und tun es noch heute. Es war so hart, in den ersten Jahren des Exils von einem Land zum anderen ziehen zu müssen, dauernd die Schulen zu wechseln und neu gewonnene Freunde verlassen zu müssen. Zudem mussten die Kinder in den Zeitungen lesen, was über die Ereignisse im Iran oder über ihren Vater geschrieben wurde. Sie tragen die Last, bekannt zu sein, sie können nicht unbeobachtet wie andere leben und haben dabei keine Privilegien mehr. Meine jüngste Tochter Leila hat den Verlust des Vaters und ihrer Heimat nie verwunden.

ABENDBLATT: Sie war erst 31, als sie im Juli 2001 durch Schlaftabletten ums Leben kam . . .

DIBA-PAHLAVI: Leila litt unter Depressionen. Für mich ist sie ein Opfer der Islamischen Republik - wie viele andere iranische Kinder auch, die depressiv sind.

ABENDBLATT: Wie werden Sie mit dem Tod Ihrer Tochter fertig?

DIBA-PAHLAVI: Gedichte, Musik, Meditation und vor allem die Liebe meiner Familie und die Zuneigung meiner Freunde geben mir Kraft, um die Momente, wo ich müde, kraftlos oder deprimiert bin, zu überstehen. Ich sage mir dann immer: "Hör auf, dich zu bemitleiden. Hilf lieber anderen, es gibt so viel Leid auf der Welt." Ich werde nicht zulassen, dass mich das Übel zerstört. Das Übel ist die Islamische Republik.

ABENDBLATT: Sie werden selbst hier von Sicherheitspersonal begleitet. Können Sie nur mit Bodyguards außer Haus gehen?

DIBA-PAHLAVI: In einigen Ländern schon. Die Islamische Republik hat im Ausland bereits 50 Menschen umbringen lassen, und mein Name steht auch auf der Todesliste. Aber mein ältester Sohn Reza, der als 20-Jähriger die Regentschaft übernahm, ist noch viel mehr gefährdet als ich.

ABENDBLATT: Sind Sie materiell unabhängig?

DIBA-PAHLAVI: Mein Mann hat uns Geld hinterlassen. Wir leben komfortabel, aber wirklich nicht jenseits davon.

ABENDBLATT: Zu Beginn Ihres Exils wurden Sie 14 Monate lang rund um den Globus gescheucht; kein Land war bereit, den Schah und seine Familie aufzunehmen. Haben Sie sich verraten gefühlt?

DIBA-PAHLAVI: Damals war der Schah bereits schwer krank. Zudem gab es täglich neue Hiobsbotschaften aus dem Iran, wo viele, die dem Staat unter dem Schah gedient hatten, hingerichtet wurden. Dass uns so viele Länder abgelehnt haben - nun ja, menschlich war das hart, aber politisch konnte ich es verstehen. Sie mussten an ihre eigenen Interessen denken. Aber dann war da auch ein Präsident Sadat (Ägypten; d. Red.), der uns immer willkommen geheißen hat. Das zeigt, dass selbst in der Politik moralische Werte zählen können.

ABENDBLATT: Heute ist der Terror von Moslem-Extremisten zur Bedrohung für die ganze Welt geworden. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Iran und dem Terror eines Osama bin Laden?

DIBA-PAHLAVI: Der Fundamentalismus existierte auch vorher in den islamischen Ländern. Aber die Entstehung der Islamischen Republik hat diesen Gedanken natürlich stark propagiert. Leider hat die Welt die Augen verschlossen; nur so konnte sich das Taliban-Regime in Afghanistan etablieren, nur so kam es später zum Krieg zwischen Iran und Irak und zum Golfkrieg. Ich bin davon überzeugt, dass sich in Iran irgendwann etwas ändern wird: Die Menschen dort haben am eigenen Leibe erfahren, was im Namen des Islam und der Religion passiert. Wenn sich die politische Situation im Iran ändern würde, hätte das auch Auswirkungen auf die gesamte islamische Welt.

ABENDBLATT: Wie beurteilen Sie das Phänomen des islamistischen Terrors - geschieht das alles nur im Namen der Religion?

DIBA-PAHLAVI: Wenn man einen Geistlichen fragte, würde er antworten: "Einen Unschuldigen zu töten, ist eine Sünde. Das ist, als würde man die ganze Welt töten." Diese Terroristen sind Fanatiker.

ABENDBLATT: Sie sind eine gläubige Muslimin. Sehen Sie persönlich den Islam als friedliche oder eher als aggressive Religion?

DIBA-PAHLAVI: Wir haben im Iran immer mit religiös vermittelten Werten gelebt - der Gerechtigkeit, dem Dienst am Nächsten, nicht zu töten, nicht zu lügen, nichts Böses über den anderen zu sagen, nicht zu stehlen. Das sind universelle Glaubenswerte. Aber jeder Fanatismus, ob politisch oder religiös motiviert, ist schlimm! Die Moslems haben jahrhundertelang in Frieden mit dem Rest der Welt gelebt, aber plötzlich wollte Ayatollah Khomeini allen weismachen, dass der Islam etwas ganz anderes ist als in den 1400 Jahre zuvor. Damit tut man der Religion sehr unrecht. Vieles, was das iranische Regime tut, widerspricht der Religion. Im Koran ist beispielsweise die Institution des obersten Religionsführers gar nicht vorgesehen. In der Islamischen Republik aber steht er in der Hierarchie sogar über der iranischen Verfassung! Ein persischer Taxifahrer hat mal gesagt: "Zur Zeit des Schah lebten die Menschen in den Häusern und tranken draußen. Heute leben sie draußen und trinken drinnen." Das zeigt die Scheinheiligkeit dieser Leute.

ABENDBLATT: Wie beurteilen Sie die Lage in Irak?

DIBA-PAHLAVI: Es ist bedauerlich, dass es dort terroristische und fundamentalistische Elemente gibt. Sie lehnen jeglichen Fortschritt, Modernität und Demokratie ab, wollen im Mittelalter leben. Insofern geht es um einen Konflikt zwischen konträren Lebensformen. Ich hoffe, dass man es mit Hilfe der Vereinten Nationen schaffen wird, die Lage zu befrieden.

ABENDBLATT: Sie haben ein Stückchen aus der Berliner Mauer bei sich auf dem Schreibtisch stehen. Was symbolisiert es für Sie?

DIBA-PAHLAVI: Dass die Mauer verschwand, ist für mich der Beweis, dass Träume sich nicht begrenzen lassen und dass der Freiheitswille alle Grenzen überwinden kann. Das Stückchen Mauer erinnert mich jeden Tag daran.