Dutroux-Prozess: Opfer berichtet über die Qualen. Ein Vater und eine Mutter konnten es nicht mehr ertragen.

Brüssel. Auf diesen Augenblick hat Sabine Dardenne (20) fast acht Jahre lang gewartet. Nun ist er da. "Ich will Marc Dutroux eine Sache fragen", sagt sie mit heller Stimme und richtet ihre blauen Augen fest auf den 47 Jahre alten Angeklagten, der sie 80 Tage lang immer wieder vergewaltigt und eingeschüchtert hatte. "Er hat sich immer wieder beschwert, dass ich einen Charakter wie ein Schwein habe, dass ich nicht einfach sei. Warum hat er mich nicht umgebracht?" Den Zuhörern im Gerichtssaal von Arlon (Belgien) stockt der Atem. Sabine sagte gestern als erstes Opfer im Prozess gegen den Kinderschänder aus. Dutroux, angeklagt des vierfachen Mordes, der Vergewaltigung und Freiheitsberaubung von insgesamt sechs Mädchen, beantwortet ihre Frage knapp und kaltblütig: "Für mich stand es nie zur Debatte, sie umzubringen. Ich gebe zu, dass ich sie missbraucht habe. Punkt." Kein Wort der Reue, keine Geste.

"Das ist nicht sehr zufriedenstellend", seufzt Sabine leise. "Aber von so einem Menschen kann man auch nichts anderes erwarten." Die selbstbewusste junge Frau ist tief verletzt von den erlittenen Qualen, aber nicht gebrochen. Das wollte sie Dutroux zeigen, und das, sagt sie hinterher, habe sie "enorm erleichtert". Während ihrer einstündigen Aussage gelingt es Sabine Dardenne, ihre anfängliche Nervosität zu überwinden. So weist sie die Entschuldigung der mitangeklagten Ex-Frau von Dutroux, Michelle Martin (44), entschieden zurück, begegnet Marc Dutroux mit Ironie, an einigen Stellen lacht Sabine sogar und wirft dabei ihre dunkelblonden Haare zurück.

Dabei sind die Dinge, über die sie reden muss, entsetzlich. Sie berichtet, wie Dutroux sie am 28. Mai 1996 mit einem Komplizen auf dem Schulweg mitsamt ihrem Fahrrad entführte, wie er sie mit Medikamenten betäubte, sie in einem winzigen Metallkoffer in sein Haus in Marcinelle bei Charleroi trug - und sie dort, mit einer Kette um den Hals ans Bett gefesselt, vergewaltigte. Wie er immer wieder kam, "um seine kleine Sache zu machen". Er habe ihr gedroht: "Sei brav, oder du bist tot!"

In den elf Wochen waren Todesängste ihr ständiger Begleiter. "Ich sagte mir, es ist vorbei", beschreibt Sabine die Momente, in denen sie in ihrem Kellerversteck Stimmen von oben hörte. Dutroux redete ihr ein, ein "großer Chef" wolle sie töten, und er sei ihr Beschützer. Hoffnung keimte erst auf, als Dutroux die damals 14-jährige Laetitia in das Versteck brachte. Da war Sabine bereits zweieinhalb Monate in seiner Gewalt. "Sie hat mir gesagt, dass man mich sucht."

Zu viel für eine Mutter und einen Vater, deren Kinder ein ähnliches Schicksal erlitten: Pol Marchal, Vater der ermordeten An (» 17), und Patricia Martin, Mutter der überlebenden Laetitia (22), brachen zusammen. Sie mussten aus dem Gerichtssaal getragen werden und kamen ins Krankenhaus. Heute muss Patricia Martin wieder stark sein: Laetitia, die ebenso wie Sabine am 15. August 1996 von Polizisten befreit wurde, soll als zweites Opfer gegen Dutroux aussagen.